Das Ich und Du des Wortes

Vor 100 Jahren: Fast zeitgleich wurden die zwei wichtigsten Werke österreichischer Sprachphilosophie fertiggestellt.

Es ist kulturgeschichtlich schon bemerkenswert, dass zwei der wichtigsten Werke österreichischer Philosophie Ludwig von Ficker für seine Tiroler Kulturzeitschrift „Der Brenner“ zum Druck angeboten worden sind. Beide Werke wurden noch während des Ersten Weltkriegs begonnen und im Juni 1919 fertiggestellt. Beide wurden von zeitweiligen Volksschullehrern verfasst. Beide sind grundlegende Werke der Sprachphilosophie. Der Unterschied: Eines davon erlangte Weltruhm, das andere gelangte nie über einen engen Kreis Interessierter hinaus. Das ist ungerecht und schade, wird sich aber vermutlich auch 100 Jahre, nachdem die letzten Worte zu Papier gebracht worden sind, nicht (mehr) ändern.

Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ hätte ebenso wie Ferdinand Ebners „Das Wort und die geistigen Realitäten“ im Herbst 1919 im „Brenner“ erscheinen können – wäre der Herausgeber nicht so mutlos gewesen. Ludwig von Ficker bat den Verfasser des „Tractatus“ um sein Einverständnis, ein Gutachten einzuholen. Für den Autor ein Affront! Am 22. November 1919 schrieb Wittgenstein an den Herausgeber des „Brenners“: „Von mir aus können Sie das Manuskript dem Philosophieprofessor zeigen (wenn auch eine philosophische Arbeit einem Philosophieprofessor vorzulegen heißt, Perlen . . .) Verstehen wird er übrigens kein Wort.“ Genauso war es.

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