Rechtzeitig hinsehen, für Vertrauen sorgen

Drohungen und Ankündigungen in sozialen Medien sind mitunter Hinweise auf potenzielle Bedrohungen an Hochschulen.
Drohungen und Ankündigungen in sozialen Medien sind mitunter Hinweise auf potenzielle Bedrohungen an Hochschulen.(c) Getty Images/iStockphoto (sam thomas)
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Auch an Hochschulen braucht es professionelles Bedrohungsmanagement.

Gewalt- und Bedrohungssituationen im Bildungsbereich kennt man am ehesten von Schulen. Szenen wie die jüngst an einer Wiener HTL, wo ein Konflikt zwischen Lehrer und Schülern eskalierte, sind an Universitäten relativ selten. „In meiner Tätigkeit ist es in den letzten 18 Jahren vielleicht zehn Mal vorgekommen, dass ich mich bedroht gefühlt habe“, sagt Josef Leidenfrost, Leiter der oft mit Konflikten konfrontierten Ombudsstelle für Studierende. Nicht selten habe sich herausgestellt, dass die jeweilige Person bereits mehrfach und an verschiedenen Stellen auffällig geworden sei, etwa durch Beschimpfungen am Schalter oder per Mail.

Zwei bis drei Mal pro Jahr wird das Team Bedrohungsmanagement und Gefährdungsanalyse der Landespolizeidirektion Wien, das 2012 im Hinblick auf Krisensituationen, etwa Amokläufe, an Schulen gegründet wurde, mit dem Hochschulbereich befasst. „Meist sind es Fälle von Ankündigungen schwerer Gewalttaten gegenüber Lehrenden oder Entscheidungsträgern beziehungsweise kommt es zu Hinweisen in sozialen Netzwerken“, sagt Teamleiter Michael Sonvilla. So führten etwa Äußerungen in Facebook- oder WhatsApp-Gruppen mitunter zu entsprechenden Befürchtungen und der Kontaktaufnahme mit der Polizei.

Scheitern, Kränkung, Krankheit

Sonvilla war einer der Referenten der Tagung zum Thema „Bedrohungsmanagement an und für Hochschulen“, die kürzlich von der Ombudsstelle für Studierende und der Universität für Bodenkultur Wien veranstaltet wurde. Laut dem Polizei-Teamleiter zeigen Fallbearbeitungen der letzten Jahre im universitären Bereich als Gründe für eskalierende Konflikte häufig „das Scheitern an eigenen Ambitionen und Erwartungen, subjektiv erlebte Kränkungen oder psychisch auffällige Verhaltensweisen“. Letztere seien etwa auf diagnostizierte Erkrankungen, Therapieabbruch oder den Abbruch einer Medikation zurückzuführen. Zu den Verhaltensweisen der Gefährder zählten Androhungen schwerer Gewalt, Stalking, Verfassen von Manifesten, Posieren mit Waffen, Auffälligkeiten in Praxisphasen und bedenkliche Auftritte in sozialen Netzwerken. Aus Sicht der Polizei sollte der Aufbau eines Krisen- und Bedrohungsmanagements jedenfalls ein Mindesterfordernis in der Qualitätssicherung jeder Hochschule sein, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter und Studierenden zu steigern. Dieses solle Aspekte von Krisen und Bedrohungslagen, aber auch von Prävention abdecken, sagt Sonvilla. „Es sollte an Hochschulen eine Basis geschaffen werden, in der Studierende und Lehrende sich jederzeit nach bedrohlichen Erlebnissen, Gewalterfahrungen, sexueller Belästigung, Mobbing, Stalking und ähnlichen Vorkommnissen an eine interne Stelle wenden können.“ Eine Vorreiterrolle habe hier die Universität Wien eingenommen.

Elke Weinlechner, Leiterin des an der Uni Wien eingerichteten Bedrohungsmanagements, sieht als dessen wichtigste Maßnahme „das strukturierte Bewerten von bedrohlichem oder auffälligem Verhalten durch einen entsprechend geschulten Personenkreis, der dann gemeinsam das weitere Vorgehen festlegt“. Dies könne, bei akuter Gefährdungslage, das Treffen von Schutzmaßnahmen bedeuten, aber auch das Einschalten der Behörden, in den meisten Fällen aber die Beratung der Betroffenen, die Kontaktaufnahme mit Bedrohern, das Hinzuziehen weiterer Experten wie Psychologen, oder das Erlassen von Hausverboten.

Frühzeitig melden

Laut Weinlechner ergeben sich Schwierigkeiten am ehesten, wenn Vorfälle erst nach einer langen Vorgeschichte beim Bedrohungsmanagement gemeldet werden. „Daher ist der Aufbau von Vertrauen innerhalb der Institution wichtig, damit diese Meldung frühzeitig erfolgt. Zentral sind der Aufbau und die Schulung eines guten Kernteams. Das ist grundsätzlich auch für kleinere Universitäten möglich; die Universität Wien ist gern bereit, ihre diesbezüglichen Erfahrungen zu teilen.“

Dem Irrglauben, an Universitäten dürfe die Polizei nicht einschreiten, widerspricht der Wiener Rechtsanwalt Stefan Huber, der mehrere Hochschulen berät. „Hier unterscheidet sich die Universität nicht von Geschäftsräumlichkeiten oder Privathäusern. Ein ,Polizeirecht‘ der Universität dahingehend, dass die staatliche Polizei diese nicht betreten darf, gibt es schon lang nicht mehr.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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