Cannes: Robin Hood mit Leidensmiene

Cannes Robin Hood Leidensmiene
Cannes Robin Hood Leidensmiene(c) Universal Studios (Kerry Brown)
  • Drucken

Ridley Scotts müdes, langatmiges, humorfreies Epos mit Russell Crowe als Hauptdarsteller eröffnet die Filmfestspiele von Cannes. Eine mythenschwere Neuinterpretation des Stoffes in bleicher Digitalästhetik.

Wieder wird in der Werbekampagne die „Wahrheit hinter der Legende" bemüht (wie zuletzt beim Historienflop King Arthur). Aber Ridley Scotts Neuinterpretation Robin Hood rasselt schon mythenschwer mit den Ketten, bevor man auch nur ein Bild sieht: „In Zeiten der Tyrannei und Ungerechtigkeit, wenn das Volk vom Gesetz unterdrückt wird, nimmt der Gesetzlose seinen Platz in der Geschichte ein", heißt es vorab. Das stimmt auf die erdrückende Humorlosigkeit und bedeutungsschwangere Aura der folgenden zweieinhalb Stunden ein: Rund um seinen bevorzugten Hauptdarsteller Russell Crowe, der hier hauptsächlich mit missvergnügter Miene Sendungsbewusstsein kundtut, zimmert der Filmemacher ein Geschichtsepos, dessen stolz ausgestellter Revisionismus sich in bloßer Geste erschöpft.

Als Antithese zu unterhaltsamen Klassikern wie dem Actionballett Die Abenteuer des Robin Hood mit Errol Flynn setzt Scotts Film auf eine bleiche Digitalästhetik, deren realistisch übersteigerte Detailfülle - jede Bartstoppel starrt monumental aus den unrasierten Gesichtern - auch nicht zu kompensieren vermag, was dem Drehbuch fehlt: Fantasie. Dabei hätte das ursprüngliche Konzept von Vielproduzent Brian Grazer („24", The Da Vinci Code) und Scott zumindest das Zeug zur radikalen Neudeutung gehabt: Matthew Macfadyen als Sheriff von Nottingham, der im „CSI"-Stil Jagd auf den Gesetzlosen Robin Hood macht. Stattdessen wird nun eine Art Vorgeschichte zur üblichen Legende geboten: Wie es dazu kam, dass der Bogenschütze Robin Longstride und seine fidelen Mannen als Outlaws im Wald leben.

Düstere Tonlage

Trotz regelmäßiger Musikeinlagen auf der Laute und begierigem Schäkern mit willigen Dorfschönheiten sind diese Mannen allerdings nicht besonders fidel: Ein Eröffnungskampf in Frankreich gibt die düstere Tonlage vor. Zwar beschwören die Rufe der Belagerten mit ihrem vereinfachten Französisch kurz Erinnerungen an Monty Pythons Ritter der Kokosnuss, doch spätestens als König Richard von einem Bogenschützen gefällt wird, ist es an der Zeit, die Leidensmiene aufzusetzen. Weil er dem korrupten Regime von Prince John und seinen Statthaltern (glatzköpfige Grausamkeit: Mark Strong als Oberbösewicht Sir Godfrey) die Stirn bietet, wird Robin zum Geächteten.

Dieweil die intriganten Normannen planen, ein zerstrittenes England zu erobern, taucht Robin in Nottingham bei der Witwe Marion Loxley (Cate Blanchett) unter. Im Gegensatz zu seinen lüsternen Kumpanen ist er der geborene Nobelmann: Im für die Scharade geteilten Schlafgemach starrt er sehnsuchtsvoll auf die Lady hinter der Trennwand aus Tüchern, während sich ein Hund an ihn kuschelt. Scotts Film ist zwar streng humorlos, aber keineswegs ironiefrei.

So hängt zwar die Anmutung eines altmodischen Abenteuerfilms über den Geschehnissen, aber substanzloser Pomp und selbstbewusste Zeitgenossenschaft sind ein schlechter Ersatz für erzählerische Aufrichtigkeit: Crowes mehr gequälter als heroischer Robin bleibt die bloße Idee eines Charakters, da hilft auch eine in hastigen Rückblenden beschworene New-Age-Vorbestimmung wenig. Mangels Identifikationspotenzial wird der schwerfällige Handlungsaufbau buchstäblich zur Tortur, bevor er sich in schnellen Scharmützeln enttäuschend entlädt. Und auch die Liebesgeschichte zu Marion leidet unter der Langatmigkeit: Den größten Eindruck hinterlässt sie, als sie ihre Emanzipiertheit durch das Auftauchen bei der Schlussschlacht beweist - ein bloßes Zugeständnis ans Konzept eines heutigen Publikums, ebenso wie die immer wieder tagespolitische Parallelen anstrengenden Konfrontationsszenarien. Letztlich wirkt alles an dem Film wie unter Anführungszeichen gesetzt: Dennoch taugt er weder zur „Wahrheit" noch zur „Legende". Allenfalls für sehnsüchtige Träume von Männern in Strumpfhosen, die nicht über ihrem demonstrativen Bierernst das Vergnügen an vergangenen Abenteuern vergaßen.

Der Regisseur

(Sir) Ridley Scott (*1937, South Shields, England) studierte Design und Malerei, bevor er eine Werbefilmfirma gründete. 1977 debütierte er mit „Die Duellisten“, es folgten „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982). Seit dem gemeinsamen Oscar-Erfolg „Gladiator“ (2000) arbeitet Scott gern mit Darsteller Russell Crowe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Cannes Preis fuer verrohte
Film

Cannes: Preis für verrohte Dänen im Krieg

Janus Metz zeigt in "Armadillo" den Alltag dänischer Soldaten in Afghanistan und erhielt dafür den Kritikerpreis "Semaine de la Critique". Im Rennen um die Goldene Palme gibt es keinen eindeutigen Favoriten.
Filmfestival Cannes bdquoCarlosldquoFilm Terror
Film

Filmfestival Cannes: „Carlos“-Film: Terror in Wien

Österreich-Bezüge in Cannes: Olivier Assayas' packendes Epos „Carlos“ und ein Wettbewerbshöhepunkt aus Thailand.
Ausschnitt aus "Biutiful"
Film

In Cannes zeichnen sich erste Favoriten ab

Der Franzose Xavier Beauvois hat mit "Des Hommes Et Des Dieux" eine starke Marke im Rennen um die Goldene Palme gesetzt. Auch "Biutiful" von Alejandro González Iñárritu begeisterte an der Croisette.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.