Am Sonntag ist alles ein bisschen anders

Sonntagsausflug auf einer der Praterwiesen 1905.
Sonntagsausflug auf einer der Praterwiesen 1905.(c) Österr. Volkshochschularchiv / (Österr. Volkshochschularchiv)/ Imagno / picturedesk.com
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An heißen Sonntagen flüchteten die Bewohner der k. u. k. Residenzstadt Wien aus ihren Wohnungen, in den Prater oder in den Wienerwald. Manche Tage verliefen banal, an manchen erlebte man Weltgeschichte. Immer dabei waren die Sonntagszeitungen.

In den Prater muss man am Sonntag gehen“, schreibt Theodor Herzl 1899 in einem seiner Feuilletons, und zwar nicht im Frühling, wenn die eleganten und reichen Leute mit ihren Kutschen die Hauptallee auf und ab fahren, sondern im Juli. Denn da wird die Sehnsucht übermächtig, die heiße und staubige Stadt, die wie erschöpft in der steinernen Stille daliegt, zu verlassen. Wohnt man wie Herzl in Döbling, nimmt man natürlich die Stadtbahn am Bahnhof Heiligenstadt. Dort sitzt an der Haltestelle ein junges Mädchen und verkauft mit sichtlicher Wehmut die Fahrkarten an die Beneidenswerten, die jetzt ins Grüne fahren können. Der Reisende schämt sich beinahe seines Glücks, wenn er das arme Ding in trübseliger Gefangenschaft sitzen sieht. Man kann am Bahnhof, während man wartet, die Liebespaare beobachten oder mürrische alte Eheleute, schreibt Herzl, nicht erwähnt er, dass wahrscheinlich auch er beobachtet wird, er ist als Journalist der „Neuen Freien Presse“ bekannt und beliebt, und schon wegen seines Bartes, den er trägt wie ein assyrischer König, unverkennbar.

Hat man Pech, sitzt man über eine Stunde in Heiligenstadt. Der Sommerfahrplan! „Sonntagelend in verschiedenen Farben“, schreibt ein melancholischer Herzl, „man brütet dumpf vor sich hin. Die meisten vergessen, wozu sie eigentlich da sind, gleichwie im Leben.“ Als man dann die Praterschenken erreicht, ist es fast schon Abend, bald wird man an die Rückkehr denken müssen. Nein, nicht alle tun das, die Kadetten nicht, wie sie sich mit ihren süßen Mädeln in die Büsche schlagen. „An Kaufständen werden schlechte Luxuswaren von dürftig herausgeputzten Mamsellen feilgeboten. Wer da etwas kauft, muss schon einen Hieb vom feurigen Weine haben, und er kauft seine morgige Reue ein.“ Alle wissen das vom vorigen Sonntag her, und dennoch sind sie wieder da. Sie gehen auf und ab in der Allee, wie Häftlinge im Kerkerhof.


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