Erfolg, los!

Warum Erfolg ganz nett, aber in unserer Kultur überbewertet ist – und den Kriterien für Suchtgift entspricht. Ein – vielleicht erfolgloser? – Versuch über das Wesen des Glücks.

Erfolg ist was Nettes. Es macht Freude, wenn das, was man anstrebt, auch zustande kommt. Wem im Leben nie was gelingt, der verkümmert. Es freut mich nicht wenig, dass die „Presse am Sonntag“, zu deren Vätern ich gehöre, Erfolg hat. Und das Anvisieren eines konkreten Erfolgs ist auch unerlässlich, um die Zusammenarbeit eines Teams fruchtbar zu machen. Aber insgesamt ist Erfolg überbewertet. Vor allem als Maßstab, um einen Menschen – etwa sich selber – zu bewerten, um die Bilanz eines Lebens zu ziehen.

Das Eigentliche, das die Menschen in ihrem Leben suchen, scheint mir nicht der Erfolg zu sein, sondern die Geborgenheit. Man hält den Erfolg nur dafür. Immerhin lernt man ja schon in der Schule, dass nur der Erfolgreiche vom Lehrer in Ruhe gelassen wird. Auch die Anerkennung im Applaus der Menge im Zieleinlauf, auf dem Centercourt oder beim öffentlichen Heiratsantrag hat etwas Bergendes. Aber die emotionale Wirkung von Erfolgserlebnissen hält nicht an. Sie verlangt nach Wiederholung und Steigerung. Das sind die Kriterien, an denen man ein Suchtgift erkennt.

Erfolg macht nicht glücklich – aber Glück macht erfolgreich. Mit dieser Erkenntnis hat der US-Autor Shawn Achor großen Erfolg erzielt. Er hat eine Reihe von Untersuchungen zusammengetragen, die alle beweisen: Wer positiv denkt, hat mehr Erfolg. Und was tun daraufhin Abertausende? Sie strengen sich an, glücklicher zu sein – in der Hoffnung, dann mehr Erfolg zu haben. Hier zeigt sich das ganze Dilemma einer erfolgsfixierten Kultur: Denn wenn ich wirklich glücklich bin, was schert mich dann noch der Erfolg?

Erfolg hängt nach neueren Erkenntnissen der Sozialwissenschaften außerdem viel mehr vom Zufall ab, als die Erfolgreichen wahrhaben wollen. Wenn wir das Ergebnis also nur teilweise beeinflussen können – wäre dann nicht die eingebrachte Leistung ein besserer Indikator für ein gut gelebtes Leben? Sollte nicht der Tüchtige unser Role-Model sein? Ich weiß nicht. Ist es wirklich großartiger, Erfolg bloß anzustreben, als Erfolg auch zu haben?


Meine Erfahrung ist: Der glückliche Mensch folgt nicht den Erfolgsmaßstäben, die ihm die Welt setzt. Aber auch nicht denen, die er sich selber setzt. Der wirklich glückliche Mensch ist dem Erfüllen von Ansprüchen verloren gegangen, weil er sich und sein Sein als Geschenk ohne Vorbedingungen erlebt hat. Und das macht ihn frei zu dem, was wirklich glücklich macht – und geborgen dazu: Er liebt. Liebe hat gar keinen Begriff von Erfolg. Vielleicht kommt das Wort „Erfolg“ in den Evangelien daher auch kein einziges Mal vor.


Der Autor war bis 2011 stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

debatte@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2019)

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