Wilhelm Holzbauer - Der Fürst tritt ab

APA/GEORG HOCHMUTH
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Wilhelm Holzbauer war wohl der mächtigste Architekt der österreichischen Nachkriegszeit. Er war pragmatisch und erfolgreich, charmant und gefürchtet, und ein Architekturlehrer, der eine ganze Planergeneration ge- und befördert hat.

Vor etwas mehr als einem Jahr betrat der Architekt Wilhelm Holzbauer ein letztes Mal die öffentliche Bühne. Das Thema des Diskussions- und Vortragsabends trug den Titel „Sprechen über Architektur“. Holzbauer war 87 Jahre alt, was man ihm kaum ansah, er war gerade im Begriff, sich endgültig aus dem Planungsgeschäft zurückzuziehen, und er hatte eigentlich keine Lust mehr, über Architektur zu sprechen. Er interessiere sich nicht mehr dafür, meinte er nachdrücklich. Er würde sich vielmehr fortan ausschließlich seinen anderen Leidenschaften hingeben, und die wären Bücher zu lesen, Musik zu hören und Whisky zu trinken.

Mit Holzbauer, der vergangenen Freitag verstarb, tritt einer der mächtigsten, vielleicht sogar der mächtigste Architekt der österreichischen Nachkriegsgeschichte ab. Er hinterlässt ein gewaltiges Euvre von an die 500 Projekten, darunter die Oper und das Rathaus in Amsterdam, das Festspielhaus Baden-Baden, die Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg und den Wiener Andromeda Tower. Er verantwortete so unterschiedliche Bauaufgaben wie die Erweiterung des Kleinen Festspielhauses in  Salzburg und das Design der Wiener U-Bahn-Stationen, und er scheute selten davor zurück, Allianzen einzugehen und Projekte auch mit strategisch klug gewählten Partnern umzusetzen.

Die Architektur des charmanten, gleichwohl in seiner zwingenden Persönlichkeit nicht ungefürchteten Lebemanns war nie von der verspielten Raffinesse etwa eines Hans Hollein oder der formalen Wucht eines Günther Domenig. Doch Holzbauer baute höchst brauchbare Gebäude für meist zufriedene Bauherren, und seine pragmatischen Häuser hatten in einer schnelllebiger werdenden Bauwelt oftmals mehr Bestand als hochgelobte, doch rasch welkende Orchideenarchitekturen, denen er ohnehin skeptisch gegenüberstand. „Jeder Stil zeigt am Ende eine exorbitante Explosion von Räumen, Formen“, meinte er, „Doch damit habe ich nichts zu tun. Ich bleibe bei dem, was ich glaube zu können.“

Als Lehrer gefürchtet und respektiert

Holzbauer war unter den Architekturgrößen des Landes der überzeugte Pragmatiker, der nie unter einem gewissen Niveau baute, jedoch im Gegensatz etwa zu Hollein auch nie den Durchbruch an die internationale Spitze schaffte. Er war dafür immer gut im Geschäft, er betätigte sich als ausgezeichneter Netzwerker und galt seinen Bauherren als verlässlicher Partner.

Möglicherweise ist sein wichtigstes Vermächtnis nicht seine gebaute Architektur, sondern die große Zahl sehr erfolgreicher Schüler, die aus seiner Lehre hervorgingen, und die er mit großzügiger Strenge vor allem an das eigene Vermögen heranzuführen gedachte. Von 1977 bis 1989 lehrte er an der Hochschule für angewandte Kunst, der er zwischendurch auch als Rektor vorstand. Seine Chefkorrekturen waren so gefürchtet, dass nicht nur einmal Sanitäter herbeigerufen werden mussten, um vor Nervosität kollabierte Studenten wieder aufzurichten.

Er war, so erinnert sich einer seiner Schüler, ein „harter Salzburger Stierschädel“, nicht geliebt sondern gefürchtet, doch unbedingt respektiert. Jeder Entwurf, pflegte er zu sagen, brauche eine tragende Leitidee, nur eine einzige, und nicht etwa zwei. Der gesamte Wurf müsse passen, das Große Ganze dürfe nie aus dem Blick verloren gehen. Mit philosophischen Begründungen und Kleinteiligkeiten hielt er sich weniger gern auf. Von seinen Studierenden verlangte er zwar volle Hingabe, ließ ihnen jedoch jede Freiheit mit dem ausdrücklichen Ziel, jeder möge seinen eigenen individuellen Weg finden. „Ich habe, wie schon Holzmeister, nie jemandem meinen Stempel aufgedrückt, sondern versucht, herauszukristallisieren, was die Leute eigentlich wollen, und sie dann in dieser Richtung unterstützt“, meinte er dazu.

Wilhelm Holzbauer kam 1930 in Salzburg zur Welt. Schon als Volksschüler, behauptete er einmal, habe er gewusst, dass er Architekt werden wolle. Er besuchte gemeinsam mit den späteren Architektenkollegen Friedrich Kurrent, Johannes Spalt und Otto Leitner die Gewerbeschule. Nach dem Architekturstudium an der Meisterklasse von Clemens Holzmeister an der Wiener Akademie der bildenden Künste schlossen sie sich 1950 zur einflussreichen Arbeitsgruppe 4 zusammen und errichteten etwa die aufsehenerregende Parscher Pfarrkirche in Salzburg.

Bereits 1952 schiffte sich Holzbauer jedoch dank eines Stipendiums in Genau auf der „Andrea Doria“ in die USA ein, um am Massachusetts  Institute of Technology (MIT) zu studieren. Das Schiff ging kurz vor New York unter, ein Erlebnis, von dem Holzbauer später sagte, dass er es nicht missen wolle. Nach diesem dramatischen Einstieg in die Neue Welt verbrachte er die nächsten Jahre in den USA und Kanada, lehrte da und dort als Gastprofessor, kehrte 1964 wieder nach Österreich zurück und gründete sein Architekturbüro in Wien.

Architektur, das was das oft geäußerte Credo Holzbauers, sei zwar eine „eigenartige Branche“, denn der Architekt müsse Geschäftsmann und PR-Profi sein, müsse Zeichnen und Rechnen beherrschen und große Raumprogramme in entsprechende Formen gießen können. In erster Linie bleibe die Architektur jedoch Dienstleistung. Wolle sie die höheren Sphären der Kunst erklettern, werde er skeptisch. Seine Dosis Kunst führte er sich als ausgewiesener Musikliebhaber lieber in Konzertsälen zu und mittels Literatur, und darüber hinaus pflegte er einen explizit lustvollen Lebensstil. Als Wilhelm der Erbauer, so einer seiner Spitznamen, und als Il Principe, der Fürst, so ein anderer, wird er in Erinnerung bleiben.

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