Ghana: Exportschlager Kreativsarg

Ghana Exportschlager Kreativsarg
Ghana Exportschlager Kreativsarg(c) Kerber
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Die Designer-Totenkisten aus dem westafrikanischen Staat haben international Furore gemacht. Im Küstenstädtchen Teshie boomt das Geschäft, ganz nach dem Motto: Gestorben wird schließlich nur ein Mal.

Wenn es darum geht, wie man zur letzten Ruhe gebettet wird, sind der Kreativität der Ghanaer keine Grenzen gesetzt: „Das Klavier geht in die USA, der Schraubenschlüssel daneben auch.“ Eric Adjetey Anang führt durch den Schauraum seines Betriebs. Der Sargbauer ist zufrieden mit dem Geschäft. Die internationale Nachfrage steige, der neue Internetauftritt solle diese noch weiter ankurbeln. Eben sei eine Bestellung nach Belgien ausgeliefert worden, ein paar Flugzeugsärge mit Alitalia-Logo nach Italien. Demnächst werde er in den USA einen Workshop leiten, bei dem er die Basics des „kreativen Sargbaus“ weitervermittelt.

Begonnen hat der bizarre Trend mit Erics Großvater, Seth Kane Kwei. Als die Frau des geschickten Handwerkers vor 35 Jahren starb, fertigte er für sie einen Sarg in Form eines Flugzeugs. Sie habe immer davon geträumt, auf Reisen zu gehen, doch hätte das Geld gefehlt. Ihre letzte Ruhestätte sollte sie ihren Träumen näherbringen. Aus der romantischen Geste entstand ein florierendes Geschäft.

A schöne Leich

Begräbnisse sind in dem 25-Millionen-Einwohner-Land, das zu den wohlhabenderen und stabileren Afrikas zählt, traditionell ein Großereignis, dessen Ausmaß selbst die Festlichkeiten rund um Geburten oder Hochzeiten übersteigt und das manchmal sogar zwei Wochen dauert. Es wird gesungen, getanzt, gegessen und getrunken. Gespart wird nicht. Dazu passt auch ein kunstvoll geschnitzter Sarg, dessen Handanfertigung etwa zwei Wochen dauert und für den man 1000 Euro und mehr hinlegt. Dafür wird auf Erspartes zurückgegriffen und unter Freunden und Verwandten gesammelt. Wohlhabende Kunden bestellen ihr Exemplar im Voraus, so ein Schmuckstück wird gerne auch ein paar Jahre gelagert.

Tote werden nicht nur unerfüllten Träumen nähergebracht und etwa im Holz-Sportwagen begraben. Oft wollen Kunden Liebgewonnenes mitnehmen: Lkw-Fahrer lassen sich in Särgen in Form ihrer Trucks beerdigen, Bauern bestellen Papayas oder Gurken, Fischer wählen Boote oder Fische. Handwerker wählen Schraubenschlüssel, Musiker ihr Instrument. Andere Motive sind mit einem Augenzwinkern gewählt: etwa Bierflaschen oder Zigaretten.

Längst sind es nicht mehr nur Kane Kweis Nachfahren, die das Handwerk fortführen, andere haben die Idee aufgegriffen. Daniel Oblie etwa hat seine Lehre beim inzwischen verstorbenen Meister absolviert und ist heute Eigentümer von „Hello Design Coffins“. Am Strandboulevard von Teshie, einem Ort im Osten des Ballungsraums um die Hauptstadt Accra, hat er seine Werkstatt.

Bei ihm ist „alles möglich“. Noch nie hat er einen Auftrag abgelehnt, so groß die Herausforderung auch gewesen sei. Wie jener Sarg in Form einer Palmölfrucht. Mit zahllosen Stacheln und rundlichen Auswölbungen war es seine bisher größte Herausforderung. Die Nähmaschine, der Polizist, die Languste oder der Fotoapparat seien dagegen leicht gewesen. Derzeit arbeitet er an einer Kirche. „Nein“, Pastor sei der Kunde nicht, sondern „eine Frau, die sich ihrer Kirchengemeinschaft sehr zugehörig fühlt“.

Der letzte Schrei: Handysärge

Seit gut zwölf Jahren ist Oblie im Geschäft. In dieser Zeit hat er etwa 900 Designersärge verkauft. Für sich selbst habe er schon einen in Form eines Hobels gefertigt.

Das Vermächtnis von Kane Kwei wurde von Generation zu Generation tradiert. Als Eric 2005 das Geschäft übernahm, lief es nicht besonders gut. „Es brauchte gutes Marketing“, meint der 25-Jährige. Ein Werbespot für den Energydrink „Aquarius“ von Coca-Cola etwa bot ihm solch eine Plattform. Derzeit arbeitet er an einem Webauftritt, um für internationale Kunden zugänglicher zu sein.

Oblie ist noch nicht im Internet, sein Schauraum begrenzt sich auf einen wackligen Hochstand am Straßenrand, der über eine noch wackligere Holztreppe zu erreichen ist. Er zählt auch auf Touristen, die von dem außergewöhnlichen Handwerk gehört haben. Dass seine liebevoll angefertigten Kunstwerke unter der Erde landen, grämt ihn nicht: „Die Menschen, die darin liegen, sind viel mehr wert als alles, was ich jemals fertigen könnte“, lacht er bescheiden.

In ein paar Jahren soll sein ältester Sohn den Betrieb übernehmen. Gut möglich, dass dieser auf einen stärker international orientierten Auftritt Wert legen wird. Die moderne Kommunikation macht schließlich vor dem Tod nicht halt. Das merkt auch Oblie: Immer mehr Kunden bestellen Särge in Form von Handys.

DAS PROJEKT

Das Autorenduo Anna Mayumi Kerber und Niels Posthumusdurchquert Afrika auf dem Weg zur Fußball-WM in Südafrika im Juni von Marokko bis zum Kap der Guten Hoffnung; dort wollen die Vorarlbergerin und der Holländer bis zur WM sein. Ihre Berichte unter dem Motto „The Road to 2010“ erscheinen als Serie in der „Presse“.

www.theroadto2010.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2010)

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