Chinas Staatschef reist überraschend zu einem Treffen mit Machthaber Kim Jong-un nach Pjöngjang. Der Zeitpunkt ist brisant.
Pjöngjang/Wien. Die Ankündigung kam überraschend: Erstmals seit 2005 wird ein chinesisches Staatsoberhaupt in Nordkorea zu Gast sein. Während Machthaber Kim Jong-un seit März 2018 vier Mal zum großen Nachbarn reiste, besucht Xi Jinping am Donnerstag und Freitag erstmals Pjöngjang. Es ist eine hoch symbolische Reise. Und so hat der sonst reisewütige Xi sich bisher gesträubt, die Einladung Kims anzunehmen.
Experten sind sich uneins, was Xi mit der kurzfristig anberaumten Reise bezweckt: Nutzt er sie als Chance, um Pjöngjang zu atomarer Abrüstung zu drängen? China ist Nordkoreas engster Verbündeter. Doch angesichts der Raketen- und Nukleartests der vergangenen Monate hat Peking eine Verschärfung der Strafmaßnahmen im UN-Sicherheitsrat mitgetragen.
Oder geht es Xi darum, seinen US-Konterpart in die Schranken zu weisen? Die Atom-Verhandlungen sind nach dem Scheitern des zweiten Gipfeltreffens zwischen Donald Trump und Kim im vietnamesischen Hanoi im Februar ins Stocken geraten. Der US-Präsident hatte sich persönlich zum Ziel gesetzt, einen Deal mit dem Diktator zu erreichen.
100.000 Tonnen Essen
Ausgerechnet, bevor sich Trump und Xi beim G20-Gipfel kommende Woche im japanischen Osaka zu einem Vieraugengespräch treffen sollen, stiehlt der Chinese dem Amerikaner nun die Show. Xi könnte Trump damit wohl einerseits an den Einfluss Pekings in der Region erinnern wollen. Andererseits könnte er die Nordkorea-Karte als Druckmittel im schwelenden Handelsstreit ziehen.
Auch Kim wird gestärkt aus dem Treffen hervor gehen:Xi gibt ihm nicht nur politische Rückendeckung gegenüber Kritikern im In- und Ausland, sondern kommt mit wirtschaftlicher Hilfe. China könnte mindestens 100.000 Tonnen Nahrungsmittel an Nordkorea liefern, berichten Südkoreas Medien. Die Spende hat die Bevölkerung bitter nötig. Wegen der strengen Sanktionen und schlimmen Ernteausfällen, haben laut UN-Angaben 40 Prozent der Nordkoreaner nicht genug zu essen. (me)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2019)