Jacques Brel: Diese Chansons vergisst die Welt nicht

Various Artists: Ces Gens-Là
Various Artists: Ces Gens-Là(c) Decca
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Der 1978 gestorbene Jacques Brel verhexte mit seinen Liedern eine ganze Generation an Musikern. Mit dem verführerischen Album „Ces Gens-Lá“ huldigen jetzt wieder aktuelle Stars dem belgischen Liedgenie.

Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, dass mit Jacques Brel ein Belgier mit sozialkritischen, zuweilen an Tabus kratzenden Chansons eine ganze Generation verhexte. In beinah jedem europäischen Land hatte er einen oder mehrere Statthalter, die seine eigenwillige, exhibitionistische Erzählweise ins jeweilige lokale Idiom brachten.

Scott Walker verführte Großbritannien mit seinem außerirdischen Bariton zu Brel. Auch David Bowie versuchte sich erfolgreich an der Anglisierung von Brel-Klassikern wie „Amsterdam“. Rod McKuen übersetzte Brels „Le Moribond“ 1963, der Kanadier Terry Jacks verstümmelte dessen Übersetzung und hatte damit 1974 unter dem Titel „Seasons In The Sun“ einen Welthit. Unvergessen ist Nina Simones Lesart von „Ne Me Quitte Pas“. Auch Marlene Dietrichs Version ging unter die Haut. Hierzulande brillierten Maria Bill und Michael Heltau als Brel-Interpreten. Nun versucht sich eine neue Generation an Brels Klassikern und Obskuritäten: Angeleitet vom US-Musiker Larry Klein machten sich Stars aus Frankreich, Großbritannien und den USA daran, diesem unvergessenen Meister mit „Ces Gens-Lá“ zu huldigen.

Die Titelnummer, eine hämische Beschreibung von Proletariern aus bürgerlicher Perspektive, singt Claudio Capéo mit beeindruckender Maliziosität. In Kleins Arrangement vermischen sich hier Vibraphon und Klavier geheimnisvoll. Bislang war Klein, ehemaliger Ehemann und Bassist von Joni Mitchell, durch Produktionen aufgefallen, die Jazz und gehobenen Pop miteinander fusionierten. Faszinierend, wie jazzig er jetzt den Chansonnier Thomas Dutronc in „Vesoul“ klingen lässt. Diesen Interpreten wählte er nicht zufällig – enthält doch Brels 1968 erschienene Hommage an den Ort Vesoul mit der Zeile „T´as voulu voir Dutronc et on a vu Dutronc“ eine seltsame Anspielung auf dessen Vater Jacques Dutronc. Sehr überzeugend ist auch Gauvain Sers' schwindelerregende Version von „La Valse à Mille Temps“, dem Walzer der tausend Takte.

Marianne Faithfull, Zaz, Melody Gardot

Marianne Faithfulls tiefe Stimme fräst mit viel Würde durch „Port Of Amsterdam“, Zaz' elektrisierendes Organ hüpft ausgelassen durch „Bruxelles“. Selbstzerfleischend lässt sie andere sein. Etwa Madeleine Peyroux, die sich mit dunkler Melancholie durch „Voir Un Ami Pleurer“ frettet: kein leichter Anblick, so ein weinendes Mannsbild. Von hoher Delikatesse ist auch Melody Gardots einfühlsame Interpretation von „La Chanson Des Vieux Amants“. Darin erinnert sich ein Langzeitehemann abgeklärt an die Höhen und Tiefen seiner Beziehung. Die Frau mag ihn betrogen haben, am Ende aber liebt er sie immer noch. Gardot singt das mit erstaunlich wenig Pathos. Das zurückhaltende Arrangement unterstützt ihre gesanglichen Subtilitäten ideal. Insgesamt: ein verführerisches Album, dessen Tonfall mit viel Gusto zwischen Nostalgie und Melancholie wechselt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2019)

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