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EU-Gipfel: Balanceakt bei Neubestellung von EU-Topjobs

Am Donnerstagabend werden die Staats- und Regierungschefs der Union über die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident beraten.
Am Donnerstagabend werden die Staats- und Regierungschefs der Union über die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident beraten.(c) REUTERS (PIROSCHKA VAN DE WOUW)
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Die Staats- und Regierungschefs beraten Donnerstagabend über Neubesetzungen in Kommission, Rat und EZB. Für Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird die Festlegung besonders schwer.

Wien/Brüssel. Es geht um die wichtigsten Personalentscheidungen der EU für die nächsten fünf Jahre: Am Donnerstagabend werden die Staats- und Regierungschefs der Union bei einem Dinner in Brüssel über die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident beraten und im Paket gleich auch über den künftigen Ratspräsidenten, den EZB-Chef und den EU-Außenbeauftragten. Es wird ein Balanceakt auf höchstem politischem Niveau, bei dem Österreichs neuer Bundeskanzlerin, Brigitte Bierlein, eine heikle Rolle zufällt. Denn sie ist in großem Maße davon abhängig, was ihr der Hauptausschuss des Nationalrats heute, Mittwoch, als Leitlinie mit auf den Weg gibt. Dort mehrt sich zwar der Widerstand dagegen, dass Bierlein ebenso wie zuvor Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz für Manfred Weber als neuen Kommissionspräsidenten votiert. Ob es aber eine mehrheitliche Vorgabe für einen anderen Kandidaten gibt, ist eher fraglich.

Auf europäischer Ebene wird das Personalpaket von Ratspräsident Donald Tusk vorbereitet. Er traf am gestrigen Abend mit allen Fraktionschefs des Europaparlaments zusammen. Von ihnen wird es abhängen, ob der eine oder andere Kandidat eine Mehrheit im EU-Abgeordnetenhaus erhält. Theoretisch hat der bayrische CSU-Politiker und bisherige EVP-Fraktionschef Weber die besten Karten für die Juncker-Nachfolge. Seine Christdemokraten sind aus der Europawahl als stärkste Kraft hervorgegangen. Hält das mit den anderen großen Fraktionen vereinbarte System, wonach der Spitzenkandidat der erfolgreichsten Parteienfamilie Kommissionspräsident wird, ist sein Weg geebnet. Frans Timmermans von den Sozialdemokraten und Margrethe Vestager von den Liberalen müssten das akzeptieren.

Doch gegen Weber gibt es Widerstand. Frankreichs Staatspräsident, Emmanuel Macron, will das Spitzenkandidatensystem nicht anerkennen. Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orbán, hat angekündigt, Weber nicht zu unterstützen, und seinem Veto könnten sich andere Regierungschefs aus Mittel- und Osteuropa anschließen. In Berlin wiederum wird der Bayer zwar offiziell unterstützt, gleichzeitig gibt es aber Interessen, den künftigen EZB-Präsidenten zu stellen. Für diesen Posten käme Jens Weidmann infrage. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist weiterhin im Gespräch – sowohl als Kommissions- als auch als Ratspräsidentin.

Gleichzeitig werden aber auch die anderen großen Parteienfamilien bei dieser politischen Ausbalancierung eine Rolle spielen wollen. Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass der sozialdemokratische Spitzenkandidat Timmermans als künftiger EU-Außenbeauftragter installiert wird. Der vielsprachige Sohn eines niederländischen Diplomaten wäre eine logische Wahl. Können sich EVP und Sozialdemokraten trotz solcher Deals nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Juncker-Nachfolger einigen, würden die Chancen von Vestager deutlich steigen. Die bisherige dänische Wettbewerbskommissarin hat den großen Vorteil, dass sie auch von kleineren Ländern akzeptiert würde. Da sie nicht davor zurückgeschreckt war, sich mit großen Konzernen wie Apple oder Google anzulegen, sympathisieren auch kleinere politische Gruppen wie die Grünen mit ihr. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2019)