Wenn Fische aus Afrika zu Futter für heimische Zuchtfische werden

Lokale Fischer im Senegal holen sich auch jene kleineren Fischarten aus dem Wasser, die in großem Stil zu Fischmehl verarbeitet werden.
Lokale Fischer im Senegal holen sich auch jene kleineren Fischarten aus dem Wasser, die in großem Stil zu Fischmehl verarbeitet werden.Liu Yuyang / Greenpeace (Liu Yuyang)
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Westafrika erlebt gerade einen Boom der Fischmehl-Industrie. Dabei werden auch Kleinfische verarbeitet, mit der die lokale Bevölkerung versorgt werden könnte.

Was hat der Fisch, der auf unseren Tellern landet, zu Lebzeiten gegessen? Fisch - und wenn es sich um ein Tier aus Aquakultur handelt, mit großer Wahrscheinlichkeit Fischmehl. Verkürzt gesagt: Zuchtfische werden oft mit verarbeiteten Fischen aus dem Meer gefüttert, um ihnen die notwendige Versorgung mit Proteinen und ungesättigten Fettsäuren zu ermöglichen. Während die Produktion von Fischmehl weltweit eher rückläufig ist, wächst der Industriezweig derzeit in westafrikanischen Staaten.

Ausgerechnet mit Fischarten, die ohnehin überfischt sind. Ausgerechnet in einer Gegend, in der die Menschen von der Fischvielfalt und den Früchten des Meeres für die eigene Ernährung abhängig sind. Die Folgen sind sowohl für Meerestiere, als auch für die Menschen vor Ort “fatal”, heißt es von Seiten der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die soeben einen Report über die Fischmehl-Produktion in Westafrika veröffentlicht hat.

Wie so oft in Fragen des Klima- und Umweltschutzes ist es ein heikles Gleichgewicht, dass in den Gewässern vor Westafrika herrscht. Hier sorgen spezielle Nährstoffe für beste Lebensbedingungen für winzige Algen. Das begünstigt wiederum die Fischpopulation vor Staaten wie dem Senegal, dem kleinen Gambia oder Mauretanien. Im Senegal basiert 70 Prozent der Proteinzufuhr der Bevölkerung auf Fisch, in Gambia seien es 50 Prozent, konstatiert der Greenpeace-Bericht.

Mauretanien großer Fischmehl-Produzent

Doch anstatt auf den Tellern der Lokalbevölkerung landen kleine, essbare Fische vermehrt in den Fabriken, die sie - zu Fischmehl verarbeitet - in alle Welt verschicken. Der Anteil der westafrikanischen Produktion an Fischmehl beträgt nur einen kleinen Anteil des weltweiten Marktes (Peru gilt als Nummer eins), doch das Produkt erlebt hier gerade einen Boom. So haben sich die Fischmehl-Exporte aus Mauretanien, zwischen 2014 und 2018 verdoppelt. Gab es 2005 in Mauretanien erst eine Fischmehl-Fabrik, so verarbeiteten 2015 bereits 29 Fabriken die Fische zu Mehl und Öl, elf weitere waren zu dem Zeitpunkt bereits in Planung. Fast 128.000 Tonnen an Fischmehl und - öl wurden 2018 exportiert. China und Norwegen importieren weltweit am meisten dieser Produkte, doch Fischmehl aus Mauretanien wird auch in der EU eingesetzt. Hier landen die Hälfte aller Exporte aus Mauretanien.

Betroffen sind laut Greenpeace besonders drei Fischarten: die Goldsardine, die Madeira-Sardine und der heringsähnliche “Bonga”. Die UN-Welternährungsorganisation FAO bezeichnet diese Arten bereits als überfischt. “Die industrielle Fischerei fischt den Menschen in Westafrika das Essen von ihren Tellern. Der Grund dafür ist eine fehlende staatliche Kontrolle, die die Lebensgrundlage der Menschen in den Vordergrund stellt und absichert. Es liegt nun an den westafrikanischen Regierungen, dem Fischmehl-Boom und der Ausbeutung ihrer Gewässer ein Ende zu setzen”, fordert Lukas Meus von Greenpeace Österreich. Auch die EU müsse sicherstellen, dass kein Fischmehl oder - öl importiert werde, “das von Fischen stammt, die für die Menschen vor Ort die Lebensgrundlage bilden”. Dafür brauche es rechtliche Regelungen.

Fische, die auch die lokale Bevölkerung verzehren könnte, sollten nicht mehr zu Fischmehl verarbeitet werden dürfen. Denn auch Fischabfälle, die bei der Verarbeitung entstehen, etwa für Konserven, können zu Fischmehl verarbeitet werden. Eine Empfehlung, die die FAO vor Jahren auch schon dem größten Fischmehl-Produzenten Peru mit auf den Weg gegeben hat. Doch die Resteverwertung mindert den Nährstoffgehalt des Fischmehls und dadurch auch den Preis, weshalb die Produzenten lieber gleich ganze Fische verarbeiten.

Viertel des Fischfangs weltweit zu Mehl produziert

Eine Studie aus dem Jahr 2017, die im Fachjournal “Fish and Fisheries” erschienen ist, besagt, dass rund ein Viertel des weltweiten Fischfangs nicht direkt von den Menschen verzehrt wird, sondern zu Fischmehl verarbeitet wird. Dabei wären 90 Prozent davon durchaus für den Menschen genießbar und eine gute Proteinquelle.

Es ist also verständlich, dass auch die Wissenschaft intensiv daran forscht, wie man den Fischmehlanteil im Einsatz in Aquakulturen reduzieren kann. Übrigens wird Fischmehl auch in der Geflügel- und Schweinezucht als Futtermittel eingesetzt. Auch in der Aufzucht von Kälbern ist Fischmehl in der EU derzeit wieder erlaubt, nach einer jahrelangen Pause während der BSE-Krise (“Rinderwahn”). Alternativen könnten Soja- oder Algenprodukte sein. Auch mit Insekten wird experimentiert.

Doch auch hier gibt es Probleme ökologischer und ökonomischer Art. Durch steigende Sojapreise wurde es in der EU erst wieder möglich, Fischmehl in der Zucht von Kälbern und Lämmern einzusetzen. Für ihr Wachstum brauchen Fische ungesättigte Fettsäuren. "Diese müssen in der Nahrung enthalten sein, da sie sie selbst nicht aufbauen können", erklärte Reinhold Hanel, Leiter des Thünen-Institus für Fischereiökologie in Bremerhaven im Sommer 2018. Er forscht an Algenprodukten. Einige Mikroalgen verfügen demnach über einen besonders hohen Anteil an solchen Fettsäuren. Die im Versuch verwendete Buntbarschart komme generell mit besonders geringen Fischmehlanteilen im Futter zurecht, erklärte Harry Palm von der Universität Rostock, dessen Studie im Fachjournal “PLOS ONE” erschien.

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