Impfungen: Die Vertrauenskrise der wohlhabenden Staaten

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Nur zwei Drittel der Westeuropäer sind überzeugt, dass Impfungen sicher sind, zeigt eine Studie. Dass Österreich zu den impfkritischsten Staaten weltweit zähle, nennen die Forscher „bemerkenswert“.

Die Weltgesundheitsorganisation hat sie für 2019 als eine der zehn größten Gesundheitsrisiken weltweit eingestuft: Die Impfskepsis. Dabei seien Impfungen die kosteneffektivste Methode, um Seuchen Einhalt zu gebieten. Zwei bis drei Millionen Todesfälle jährlich werden durch Impfungen vermieden, rechnet die WHO vor.

Eine Studie der britischen Wohltätigkeitsorganisation Wellcome zeigt nun: Menschen in Ländern mit hohen Einkommen haben weltweit am wenigsten Vertrauen in Impfungen. In Westeuropa glauben nur 59 Prozent der Menschen, dass Impfungen sicher sind, in Osteuropa ist es gar nur die Hälfte der Menschen. In Staaten mit niedrigen Einkommen hingegen ist ein Großteil der Bevölkerung von der Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung überzeugt. Also in Staaten, wo es aufgrund einer schlechten Gesundheitsversorgung mehr Infektionskrankheiten gibt.

Warum ist die Bevölkerung in Industriestaaten derart misstrauisch? Imran Khan, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Wellcome, erklärt sich dieses Phänomen mit einem „Nachlässigkeitseffekt“. In wohlhabenden Ländern sei die Gefahr, infiziert zu werden, vergleichsweise gering - selbst ohne Immunisierung. Wer sich dort anstecke, werde zudem „vielleicht nicht so krank oder stirbt nicht, weil wir ziemlich gute Gesundheitssysteme haben“, fügt Khan hinzu. Befeuert werden könnten die Impf-Zweifel auch durch Soziale Medien, wo sich Desinformation einfach und schnell verbreite, sagen die Forscher.

12 Prozent der Österreicher wollen Kinder nicht impfen

Besonders schlimm sei die Lage in Frankreich: Einer von drei Franzosen ist überzeugt, das Impfungen unsicher sind. Das habe mit einem generellen Misstrauen in den Staat und Politiker zu tun, sagen Experten. Denn ein Skandal aus dem Jahr 2009 wiegt schwer nach: Damals soll die Regierung bei einer Impfkampagne gegen den Schweinegrippe-Virus zweifelhafte Deals mit Pharmafirmen abgeschlossen haben.

Doch auch Österreicher gehören der Studie zu Folge weltweit zu den lautesten Impf-Kritikern. 21 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass Impfungen gefährlich seien. 12 Prozent sind der Meinung, dass es nicht wichtig ist, Kinder zu impfen. Das sei „bemerkenswert“ schreiben die Forscher. Damit reiht sich Österreich unter die Top zehn impfkritischsten Länder der Welt. Die Gründe, heißt es in der Studie: Die Angst vor Nebenwirkungen, der Glauben, dass Impfungen ineffektiv seien, und ein Misstrauen in die Pharmaindustrie. Expertin Ursula Köller ortete die Ursprünge für die Haltung der Österreicher in einem Gespräch mit der „Presse“ gar in der Nazi-Zeit.

Welche Folgen das Misstrauen gegenüber Impfungen hat, macht die weltweite Rückkehr von Masern deutlich: In den USA ist die Infektionskrankheit auf dem höchsten Stand seit 27 Jahren und auch in Österreich vergeht seit Jahresbeginn kaum eine Woche ohne neue Ansteckungen - obwohl die Krankheit längst ausgerottet sein könnte.

Für die Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Gallup zwischen April und Dezember 2018 mehr als 140.000 Menschen ab 15 Jahren in 144 Ländern.

>>> Link zur Studie.

(me)

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