Djerba: Rotbraune Erde, blauer Himmel

Strandzone. Mit 320 jährlichen Sonnentagen liegt Djerba an der Ostküste.
Strandzone. Mit 320 jährlichen Sonnentagen liegt Djerba an der Ostküste.(c) fva tunesien
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Djerba ist flach, ruhig und gemächlich. Eine Anti-Burn-out-Insel mit Olivenhainen, Dattelpalmen und 400 Krokodilen.

Djerbas Lagune hat die wunderbarsten Gezeiten. Bei Flut ist das Wasser 30 bis 40  Zentimeter tief und schimmert violett, grün oder hellbraun, bei Ebbe trocknet es fast aus und auf den hellen Sandbänken wachsen Unterwasserbüsche aus Seegras in verschiedensten Schattierungen. Der fast sieben Kilometer lange Römerdamm verbindet die mit 514 Quadratkilometern größte Insel Nordafrikas mit der Oase Zarzis. Er stammt wohl aus punischer Zeit und war errichtet worden, um den Warenaustausch mit dem Festland zu vereinfachen. Im Mittelalter wurde er teils überschwemmt, man nannte ihn Kamelroute, bei Ebbe querten ihn Karawanen. Seit 1951 führt eine Straße über ihn, massive Rohre bringen Süßwasser aus den Bergen, ohne die der Hotelbetrieb auf der Urlaubsinsel nicht denkbar wäre. Mit 320 jährlichen Sonnentagen liegt Djerba, auch „La Douce" genannt, die Süße, 170.000 Einwohner, vor der Ostküste Tunesiens, im Golf von Gabès, knapp 100 Kilometer von der libyschen Grenze fast schon im Wüstenbereich. Wasser ist knapp, die Straßenführung, oft überraschend krumm, zeugt noch von den historischen Verbindungen zwischen Zisternen. Das Süßwasser, die rotbraune Erde, die weiße Architektur, der blaue Himmel – Atouts einer glücklichen Insel.

Zusammenleben und Verwerfungen. Glücklich auch deswegen, weil unter der Vorherrschaft der Berber, die vor 1000 Jahren einwanderten, ein friedliches Zusammenleben zwischen ihnen und Arabern, aber auch aller nichtmuslimischen Religionen möglich war. 365 Moscheen sollen hier existieren, doch wenn man nachfragt, kriegt man den Eindruck, dass niemand sie wirklich abzählt. Die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts erschwerten den Frieden, es kam zu Auswanderungen, doch blieben etwa 1000  Juden einer einst florierenden jüdischen Gemeinde mit über 20 Synagogen – und christliche Ansiedlungen. Dazu kommen eine maltesische Minderheit, viele Franzosen und immer mehr geflüchtete Libyer. Die Einheimischen respektieren einander und schätzen es gar nicht, wenn große Politik oder kleinlicher Fundamentalismus sich von außen einmischt. Leider begann dieses Jahrtausend gerade damit.

Rückzug. Der Trubel fehlt, die Gäste schätzen dieses „weniger ist mehr“.
Rückzug. Der Trubel fehlt, die Gäste schätzen dieses „weniger ist mehr“.(c) Florian Albert/ TUI

Die el-Gribha-Synagoge nahe der Inselhauptstadt Houmt Souk ist nicht nur für die lokalen, sondern für alle Juden ein Wallfahrtsziel. Am 11. April 2002 wurden sie von einem mit Flüssiggas gefüllten Lastwagen attackiert – der erste Anschlag der al-Qaida nach jenem auf das World Trade Center. 21 Personen starben, über 30 wurden schwer verletzt. Die Ben-Ali-Diktatur deutete das Ereignis als Unfall und scheute sich vor einer Aufarbeitung. So blieben in Tunesien Gäste aus, und Djerba, weitgehend auf Landwirtschaft und Fremdenverkehr angewiesen, litt am meisten. Irgendwann schien es, als könne das Land wieder zu sich finden. 2011 hatte es der Arabische Frühling erreicht, die Revolution zeigte im moderaten Tunesien ihr freundliches Gesicht. Doch ließen die tödlichen Attentate am Strand von Sousse und im Bardo Museum 2014/15 den Europa-Tourismus erneut einbrechen. Nach massiven Investitionen in den Sicherheitsaufwand, auch in Hotelanlagen, wirkt Tunesiens Tourismus mittlerweile stabil, kommt in Aufwind und wächst jährlich 25 Prozent.

In anderen Ländern besitzt jede Familie eine Waschmaschine – auf Djerba eine Ölpresse. Die Insel besteht aus Feldern, Dattelpalmen und Olivenhainen, nicht zu vergessen die Hotelbauten an der Küste. Als Sonnendestination stehen jene Wassersportarten im Vordergrund, bei denen eine Brise nicht schadet, Kitesurfen, Surfen, Stand-up-Paddling. Vor allem aber ist Djerba – wegen des mangelnden Trubels – eine Anti-Burn-out-Insel für Leute, die Wert auf „weniger ist mehr" legen. Unterhaltung oder gar Animation stehen total im Hintergrund.

Badeurlaub. Die Küste säumen Hotelan­lagen, hier das Blue Palm Beach.
Badeurlaub. Die Küste säumen Hotelan­lagen, hier das Blue Palm Beach.(c) Florian Albert/ TUI

Jilani geht einkaufen. Die Ruhe zeigt sich auch im beschaulichen Houmt Souk, 65.000 Einwohner, unter den Römern als Fischereihafen Ghriba bekannt. Brennpunkt ist die Markthalle mit dem Office National des Pêches. Die Verkäufer halten frische Fänge an Schnüren in die Luft. Vormittags versteigern sie die Ware an die Meistbietenden. Nachmittags handeln sie den Fisch zu zivileren Preisen, ein wunderbarer Interessensausgleich zwischen Verkäufern und Kunden. Jeder hier kennt den Kunsthandwerker und Kalligraphen Zerria Jilani. Immerhin ist er der berühmteste Künstler Djerbas. Heute besorgt Zerria Thunfische, Tintenfische und Gemüse für seine Gäste. Jeder seiner Einkäufe gleicht einem sozialen Akt, es geht um mehr als den Austausch Ware gegen Geld, sogar das Handeln wirkt augenzwinkernd. Die Qualität der Produkte wird ebenso debattiert wie Privates. Immer wieder grüßt Zerria links, rechts oder stellt seine Körbe ab, um sich mit der ihm eigenen Warmherzigkeit anderen zu widmen. Djerbi haben ein wertvolles Gut – ausreichend Zeit. In Dar Jilani, seiner Maison des Arts et Métiers, kochen er und seine italienische Frau auf – bevor Zerria innerhalb von Minuten Hinterglaskunstwerke mit lokalen Motiven fabriziert, Wüste, Meer, Vögel, Kamele. Im Keller stellt er auch Handwerkskunst aus recycelten Materialien her.

Parc Djerba Explore heißt der Vergnügungspark mit dem ethnografischen Lalla Hadria Museum, das tunesische, nordafrikanische, arabische und persische Kunstobjekte versammelt. In Djerba Heritage kann man die Welt der Weber, Töpfer und Korbmacher auf den traditionellen Bauernhöfen, den Menzel, erleben. Auf „Croco D’îles", der Krokodilfarm, liegen 400 Nilkrokodile wie Skulpturen – bewegen sich fast nur bei der Fütterung – in sonnigen Becken und im Tropenhaus.

2015 hat die ambitionierte Kurzzeit-Tourismusministerin Amel Karboul in Erriadh das größte Street-Art-Museum des Landes aufgebaut. 150  Künstlerinnen und Künstler aus 30 Ländern erhielten in enger Absprache mit der lokalen Community die Möglichkeit, Häuserwände zu bemalen. Und wirklich hat sich ein Anziehungspunkt entwickelt. „Djerbahood" öffnet einer Kunstform Räume, die man sonst nur im Urbanen erwartet. Abbildungen der Revolutionsereignisse fehlen dabei ebenso wenig wie die verschlungenen Kalligrafien des frankotunesischen Street-Art-Stars el Seed, die er „calligraffiti" nennt. Ob es nun ein Leopard unter einem Baum sein mag, vergitterte Fenster an weißen Wänden oder ein überdimensionaler Oktopus, die demokratischste der Kunstformen hinterlässt mit 250 Werken – einige bereits malerisch verwildert, abgeblättert – nicht nur bei Durchspazierenden bleibenden Eindruck, sie hat auch das Bild der Einheimischen von ihrem Ort verändert, das zur Galerie wurde.

Esskultur. Lamm, Fisch, Ei, Couscous – die scharfe Harissa ist immer dabei.
Esskultur. Lamm, Fisch, Ei, Couscous – die scharfe Harissa ist immer dabei.(c) Florian Albert/ TUI

Töpfern für den Krakenfang. Bei Guellala liegen reiche Vorkommen an Tonerde. Früher wurden Krüge mit Fassungsvermögen von bis zu 300 Liter hergestellt – wichtig für Transport und Lagerung von Olivenöl, Getreide und Datteln. Heute verbreiten sich von hier glasierte Teller und Aschenbecher über die Souvenirshops. Alles begann mit mehreren an einer Schnur hängenden Krügen, mit denen die Djerbi neugierige Oktopusse zu fangen pflegen. Aus eigener Kraft können sie sich nicht mehr befreien, bleiben stecken und werden an Land mit Hilfe von Süßwasser aus den Fallen herausgepflückt. Die Töpfereiproduktion ist Ergebnis jahrtausendelanger Kunstfertigkeit. Mit den Füßen treibt der Künstler ein Rad an und formt durch feine Druckausübung seiner Hände zur Verblüffung Zusehender Tassen mit Henkel, Miniaturschildkröten, Vasen.

Guellala hat auch seine düstere Seite. In einigen aufgelassenen Tongruben wurde bis vor Kurzem – unter Duldung der Politik – Djerbas Müll gelagert, Anwohner litten unter Vergiftungen, Atemwegsinfekten. 2013 kam es zu Sitzstreiks an Grubeneinfahrten und zu Kämpfen. Die Autorin Dorothea Macheiner, eine begeisterte TunesienReisende, berichtet über „Djerba, La Douce" 2014: „Jedesmal waren die Streikenden von der Polizei vertrieben worden (. . .). Diesmal allerdings hatten sie (. . .) den Polizisten die Stirn geboten." Nach einer Neuordnung des Müllwesens ist nun alles friedlich, kein Geruch trübt die warme Luft des tunesischen Töpferdorfs.

Compliance-Hinweis: Der Autor war eingeladen vom Tunesischen Fremdenverkehrsamt und TUI.

Infos

Anreise: Tunisair fliegt im Sommer fünf Mal wöchentlich ab Wien nach Tunis, Monastir und Djerba, www.tunisair.com

Unterkunft: TUI Blue Palm Beach Palace, 5-Stern-Hotel mit 261 Zimmern, Adults only, Houmt Souk, Djerba. www.tui-blue.com

Tipp bei der Anreise via Tunis: Mövenpick le Lac in Tunis für einen Stop-over der Hauptstadt, Rue du Lac Huron, www.movenpick.com

Anschauen: Museum und
Krokodilfarm: Parc Djerba ­Explore, Route Touristique de Midoun, Djerba.

Buchtipp: Dorothea Macheiner, „Djerba, La Douce/Rommel. ­Stille", Löcker, 2014.

Infos: Tunesisches Fremdenverkehrsamt Wien, www.discovertunisia.at und TUI, www.tui.at

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