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EU-Topjobs: Parteien werben bei Bierlein um ihre Wunschkandidaten

Kanzlerin Bierlein im Parlament.APA/GEORG HOCHMUTH
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Am Donnerstag nimmt Kanzlerin Bierlein am EU-Gipfel teil, bei dem die EU-Spitzenposten vergeben werden sollen. Österreichs Parteien sind sich uneins, wer an der Spitze der EU stehen soll.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag, bei dem es unter anderem um die nach der Europawahl neu zu besetzenden EU-Spitzenjobs - Kommissionspräsident, Ratspräsident, Parlamentspräsident und Außenbeauftragter - geht, hat sich am Mittwoch der EU-Hauptausschuss des Nationalrats mit den Themen des Treffens der Staats- und Regierungschefs befasst.

Dabei steckten die Fraktionen gegenüber Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Außenminister Alexander Schallenberg ihre Positionen ab, welche Haltung die Bundesregierung in Sachen der Bestellung des Kommissionspräsidenten vertreten solle. Bierlein betonte, bei der Verteilung der Top-Posten seien Gender-Gerechtigkeit, Transparenz sowie eine ausgewogene geografische Verteilung wichtig. Laut den EU-Verträgen sei unter anderem auch das Ergebnis der EU-Wahl zu berücksichtigen; die Wahlbeteiligung sei hoch gewesen. Daher brauche es "Fingerspitzengefühl" und "Kompromissbereitschaft" unter den Mitgliedstaaten.

Sie gehe "ergebnisoffen" in ihren ersten EU-Gipfel und werde unter ihren Amtskollegen den Dialog suchen. Sollten sich mehrheitsfähige Personalvorschläge von Ratspräsident Donald Tusk "auftun, werden wir uns anschließen", sagte Bierlein. Tusk hofft auf eine Einigung in der Frage der Bestellung der EU-Spitzenpositionen bereits beim EU-Gipfel am morgigen Donnerstag. "Ich bleibe vorsichtig optimistisch", schrieb Tusk in seiner Einladung an die EU-Staats-und Regierungschefs am Mittwoch. Alle, mit denen er gesprochen habe, seien entschlossen für eine schnelle Entscheidung.

Kanzlerin Bierlein versicherte: "Wir suchen den Dialog mit allen Parteien (...) wir stehen für Kontinuität in der Europapolitik." Österreich werde seine Stimme auf dem Gipfel genauso ausüben, wie eine nach einer Wahl gebildete Regierung. "Österreich bleibt in Europa handlungsfähig."

Liste Jetzt und FPÖ warnen vor schnellen Entscheidungen

Während im EU-Hauptausschuss für die ÖVP Reinhold Lopatka für das Spitzenkandidatensystem und damit für Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP) eintrat, die bei der Wahl trotz Verlusten erneut stärkste Kraft wurde, und die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper für die dänische Liberale Margrethe Vestager warb, warnten FPÖ und Jetzt vor vorschnellen Entscheidungen. Ein Jetzt-Antrag, der die Regierung ersucht hätte, bei der Wahl des neuen Kommissionspräsidenten vorläufig keinen Kandidaten zu unterstützen, wurde aber nur von der FPÖ unterstützt und fand so keine Mehrheit.

Lopatka verwies darauf, dass auch das Europäische Parlament dafür sei, dass nur ein Spitzenkandidat Kommissionspräsident in der Nachfolge von Jean-Claude Juncker, der zuvor EVP-Spitzenkandidat war, werden sollte. Zugleich pochte er mit Blick auf die EU-Wahl von Ende Mai auf den bisherigen EVP-Fraktionschef Weber, denn "die EVP hat mit Abstand das meiste Vertrauen bekommen".

Krisper meinte, es gehe nicht rein um Parteizugehörigkeit, sondern auch darum, welcher Kandidat eine gute Wahl für die Zukunft der EU darstelle. Als EU-Wettbewerbskommissarin habe Margrethe Vestager gezeigt, dass sie über die Parteipolitik hinaus europäische Interessen gut vertrete.

FPÖ gegen „Erbpacht“ der ÖVP für EU-Kommissar

Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann sagte, Österreich wäre durch eine vorschnelle Unterstützung für einen Kandidaten bzw. für Weber schlecht beraten. Kandidaten sollten sich und ihre Programme vorher präsentieren. Reinhard Bösch von der FPÖ warnte ebenfalls davor, dass man nicht "vorschnell in eine Richtung agitieren sollte". Rossmann kritisierte den Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der gegenüber der "Presse am Sonntag" erklärt hatte, er gehe davon aus, dass die neue Übergangsregierung unter Bierlein, wie zuvor er, Weber unterstütze. In Sachen der Nominierung des EU-Kommissars aus Österreich wandte sich Bösch gegen eine "Erbpacht". Bisher hat die ÖVP alle EU-Kommissare aus Österreich gestellt.

Die SPÖ setzt auf einen breiten Dialog in Österreich über die EU-Personalia und einen "möglichst breiten Konsens", wie Parteivorsitzende und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner sagte. "Es braucht jetzt jemanden, der in den nächsten fünf Jahren ein Programm ausarbeitet, um Europa fit für die nächsten 30 Jahre zu machen." Als besondere Herausforderung nannte Rendi-Wagner den Kampf gegen "soziale Ungleichheit". In Sachen österreichischer EU-Kommissar unterstütze man Bierlein, die gesagt habe, die Auswahl müsse von fachlicher Expertise und politischem Können geleitet sein.

Parlament fordert schnellen Abbruch der Türkei-Verhandlungen

Im Gegensatz zum Jetzt-Antrag einstimmig angenommen wurde ein Antrag der FPÖ. Dieser fordert die Regierungsmitglieder auf, alles zu unternehmen, um den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu erwirken. Robert Lugar (FPÖ) sagte, statt des ohnedies auf Eis liegenden Beitritts- und Annäherungsprozesses wäre eine möglichst rasche strategische Partnerschaft mit Ankara sinnvoll. Außenminister Schallenberg referierte, der EU-Außenministerrat habe erst diese Woche wieder festgehalten, dass sich die Türkei immer weiter von der EU entferne, bei den Beitrittsverhandlungen herrsche Stillstand, es würden keine neuen Kapitel eröffnet, es werde auch keine Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion geben. Die Forderung Österreichs nach einen offiziellen Abbruch der Beitrittsverhandlungen hatte unter den EU-Mitgliedern zeitweise nur Deutschland mitgetragen.

(APA)