EU-Gipfel: Noch keine Juncker-Nachfolge, aber neues Klimaziel?

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bei Kommissionschef Jean-Claude Juncker
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bei Kommissionschef Jean-Claude Juncker APA/BUNDESKANZLERAMT/ANDY WENZEL
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Dass heute schon entschieden wird, wer neuer Kommissionspräsident wird, wird immer unwahrscheinlicher. Verhandelt wird auch über ein neues Klimaziel, wonach die EU bis 2050 klimaneutral werden soll.

Beim EU-Gipfel in Brüssel wird am heutigen Donnerstagabend noch keine Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs zum Personalpaket erwartet. In diesem Fall müsste am morgigen Freitag, spätestens aber bis zum 1. Juli ein Durchbruch gelingen, damit die EU-Staaten vor der konstituierenden Sitzung des EU-Parlaments Kandidaten nennen können, hieß es in Ratskreisen in Brüssel. Verhandelt wird auf dem Gipfel auch ein neues Klimaziel, dass die Klimaneutralität für die EU vorsieht.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sah keine Notwendigkeit, schon beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag zu einer Einigung im EU-Postenpoker zu kommen. "Wir haben noch ein paar Tage Zeit", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag vor Beginn des zweitägigen Treffens, bei dem die Besetzung der fünf Spitzenposten der Europäischen Union im Mittelpunkt stehen wird.

Bei dem kniffligen Personalpaket geht es um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie vier weitere Spitzenposten. Es wird erwartet, dass die EU-Staats- und Regierungschefs am Abend zumindest klären, ob der nächste EU-Kommissionspräsident aus dem Kreis der Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl kommen soll. Um die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatten sich Manfred Weber (EVP), Frans Timmermans (Sozialdemokraten) und Margrethe Vestager (Liberale) beworben.

In weiterer Folge soll dann auch über Donald Tusks Nachfolger als EU-Ratschef, den nächsten EZB-Chef sowie über den nächsten Außenbeauftragten entschieden werden. Am 2. Juli wählt überdies das Europaparlament einen neuen Präsidenten.

Bierlein will Gender-gerechte Aufteilung

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hatte vor dem EU-Gipfel betont, bei der Verteilung der Top-Posten seien Gender-Gerechtigkeit, Transparenz sowie eine ausgewogene geografische Verteilung wichtig. Laut den EU-Verträgen sei unter anderem auch das Ergebnis der EU-Wahl zu berücksichtigen. Sie gehe "ergebnisoffen" in ihren ersten EU-Gipfel und werde unter ihren Amtskollegen den Dialog suchen. Sollten sich mehrheitsfähige Personalvorschläge von Ratspräsident Tusk "auftun, werden wir uns anschließen", sagte Bierlein.

Bierlein selbst hat dem Vernehmen nach am Mittwoch mit Tusk telefoniert und soll vor dem EU-Gipfel noch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen. Für die Bundeskanzlerin ist es der erste EU-Gipfel. Sobald der EU-Kommissionspräsident gewählt ist, muss Österreich einen EU-Kommissar nominieren. Amtsinhaber Johannes Hahn hat sich zu einer Verlängerung bereit erklärt. Jeder Kandidat braucht eine Mehrheit im Hauptausschuss des Parlaments.

Neues Klimaziel bis 2050?

Zweiter großer Punkt des EU-Gipfels ist der Klimaschutz. Ziel des neuen Entwurfes ist es, bis 2050 Klimaneutralität für die EU festzuschreiben. Dieser wird auch von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein unterstützt. Bierlein sagte am Donnerstag vor dem Gipfel in Brüssel, es gebe einen ausgezeichneten und ausbalancierten Entwurf, der alle Interessen berücksichtige, "den tragen wir voll mit".

Der aktuelle Gipfelentwurf sieht vor, dass der EU-Rat und die EU-Kommission die Bedingungen erarbeiten sollen, um festzustellen, wie "ein Übergang zu einer klimaneutralen EU bis 2050" sichergestellt werden könne, während die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und die soziale Balance und nationale Umstände berücksichtigt werden sollen. Dabei soll das Recht der EU-Staaten, ihren eigenen Energie-Mix zu entscheiden geachtet werden und auf Maßnahmen zum Klimaschutzziel der EU bis 2030 aufgebaut werden.

Frankreich hatte dafür die Initiative ergriffen, der sich Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten anschlossen. Doch gab es bis zuletzt bei einigen Staaten Widerstand. Im Entwurf der Gipfelerklärung wurde als Kompromiss nun eine sehr weiche und umständliche Formulierung gewählt. Ob alle Staaten sie mittragen, war zunächst offen.

Darin heißt es, der Rat der Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission würden eingeladen, weiter an den Bedingungen, Anreizen und einem Rahmen zu arbeiten, um zu entscheiden, wie man den Übergang zu einer klimaneutralen EU bis 2050 erreiche, die Europa wettbewerbsfähig, gerecht und sozial ausgewogen halte. Die unterschiedlichen Bedingungen der Mitgliedsstaaten sollten berücksichtigt werden.

Die Staatenlenker stehen unter anderem wegen der Klimaproteste und des guten Abschneidens grüner Parteien bei der Europawahl unter Druck. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte die EU aufgefordert, Klimaneutralität bis 2050 anzustreben.

(APA)

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