Großbritannien. Von den Tory-Gegenkandidaten ist nach dem letzten Wahlgang nur noch Jeremy Hunt übrig. Doch der hat wohl keine Chance.
London. Ex gegen Jetzt. Der frühere britische Außenminister Boris Johnson muss sich ausgerechnet mit seinem Amtsnachfolger Jeremy Hunt um den Posten des künftigen britischen Premiers auseinandersetzen. In der fünften Runde der internen Ausscheidung der Konservativen kam Johnson am Donnerstag abend in London auf 160 Stimmen, Hunt wurde mit 77 Zweiter und besiegte damit Umweltminister Michael Gove, der mit 75 Stimmen auf der Strecke blieb. Von einem „gewaltigen Erfolg“ für Hunt sprach Joey Jones, ein früherer Berater der scheidenden Premierministerin Theresa May.
Nach den Regeln der britischen Konservativen werden nach der Vorauswahl die etwa 120.000 Mitglieder der Partei über ihren neuen Chef entscheiden. Johnson gilt als „Liebling der Partei“, in den Wahlveranstaltungen in den nächsten vier Wochen kann er sich wohl nur mehr selbst gefährlich werden. Der frühere Außenminister und Ex-Bürgermeister von London ist für seine lose Zunge gefürchtet. Johnson, der sich derzeit betont um Zurückhaltung bemüht, hat sich für Sager wie den Vergleich von verschleierten Frauen mit „Briefschlitzen“ und „Afrikaner grinsen wie Wassermelonen“ zwar entschuldigt. Zugleich aber fügte er hinzu: „Die Menschen mögen es, wenn man redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist.“ Insbesondere zu der scheidenden Premierministerin Theresa May mit ihrem automatenhaften Auftreten bietet Johnson ein Kontrastprogramm. May unterließ jede Unterstützungserklärung für ihren erwarteten Nachfolger, der in der letzten Juli-Woche feststehen soll.
Beim Parteivolk wird Johnson, der am Mittwoch seinen 55. Geburtstag feierte, ohne Zweifel besser ankommen. Hunt, 52, präsentiert sich hingegen als besonnener Politiker der Vernunft: „Ein seriöser Kandidat für ernste Zeiten“, warb er in der internen Vorausscheidung für sich. Im politischen Nahkampf ist Hunt nicht zu unterschätzen: Der Ex-Gesundheitsminister schaffte es, Vertreter des gemäßigten Tory-Flügels ebenso hinter sich zu versammeln wie Brexit-Hardliner.
Zu dem alles beherrschenden Thema hat er aber wenig Neues anzubieten: Wie Johnson besteht Hunt auf der Umsetzung des Brexit. Wie Johnson verspricht auch Hunt, dass eine Neuverhandlung des EU-Austrittsabkommens möglich sei. Wie Johnson bleibt auch er jeden Hinweis dafür schuldig. Anders als Johnson scheint Hunt einen Hard Brexit nicht in Kauf nehmen zu wollen, obwohl auch er ihn nicht ausschließen will.
„Sie sind nicht aufrichtig“
Der scheidende Schatzkanzler Philip Hammond trat gestern diesen Aussagen vehement entgegen „Sie sind nicht aufrichtig zu den Wählern. Was wir haben, ist der bestmögliche Deal.“ Er warnte, dass auch der neue Regierungschef vor demselben Problem stehen werde, an dem May gescheitert ist: „Wenn der Premier die Blockade im Parlament nicht aufheben kann, muss er neue demokratische Wege finden.“ Dies wären Neuwahlen oder ein neues Referendum.
Dass nun ein Ex-Außenminister neuer Premier wird, ist kein gutes Omen: Der Konservative Anthony Eden führte nach dem Wechsel in die Downing Street sein Land 1956 in die Suez-Krise, die größte Schlappe der britischen Zeitgeschichte, bis 2016 der Brexit kam. Als Eden nach nur 20 Monaten 1957 zurücktreten musste, galt er als erfolglosester Premier der Geschichte. Dieser Titel ist mittlerweile wieder zu vergeben.