Was so schön ist, muss auch wahr sein

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Symbolbild. (c) imago/Artokoloro
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Physiker streben nach schönen Theorien. Sie dürfen das, findet Philosoph Olaf L. Müller. „Zu schön, um falsch zu sein“ ist sein Konter auf „Das hässliche Universum“ von Sabine Hossenfelder. Wer hat recht?

Eine runde Sache, damit schließt sich der Kreis: So reden wir, wenn etwas sich harmonisch fügt. Früher sollten diese Symbole der Vollkommenheit den Kosmos formen. Kopernikus stürzte das geozentrische Weltbild nicht um, weil Beobachtungen ihn dazu zwangen. Die Umlaufbahnen schienen ihm zu unrund und kompliziert. Im eigenen Modell, mit der Sonne als zentralem Leuchtkörper in einem „wunderschönen Heiligtum“, fand er „die wunderbare Symmetrie und den festen harmonischen Zusammenhang“. Dann prügelte Galilei seinen Kollegen Kepler, weil bei dem die Planeten gar keine Kreise zogen. Und Kepler selbst? Die Fernrohre waren noch so ungenau, dass die Empirie auf viele ovale Kurven hätte schließen lassen. Aber nein: Die für ihn schönere Ellipse musste es sein. Der Spekulation von tönenden Himmelskörpern in der „Weltharmonik“ verdanken wir Keplers drittes Gesetz. Epochale Entdeckungen, verziert mit falschem Gold. Angestoßen, gewiss, vom Hunger nach Wissen – aber auch und vor allem von Sehnsucht nach Schönheit. Behauptet Olaf L. Müller in seinem Buch „Zu schön, um falsch zu sein“.

Sicher galt damals: Der Schöpfer macht keine unvollkommenen Sachen. Aber Gott, meint der Berliner Philosoph, spielte nur eine rhetorische Rolle, auch zur Absicherung gegen die Inquisition. Einstein war nicht vom Feuer bedroht. Aber auch seine Durchbrüche sind doppelt motiviert: Theorien der Vorgänger empfand er als widersprüchlich und hässlich, und es lässt sich kaum entwirren, was das Genie mehr wurmte. Die meist religionsfernen Physiker unserer Tage rühmen lauter denn je Theorien, die als schön gelten – weil sie einfach, elegant, symmetrisch und geschlossen sind.

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