Rechtsfrage: Schlüssel für das Stimmverhältnis

Eigentumsanteile an einem Haus werden nach dem Nutzwert berechnet.
Eigentumsanteile an einem Haus werden nach dem Nutzwert berechnet.pixabay
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Der Nutzwert bestimmt über das Verhältnis der Eigentumsanteile der Miteigentümer eines Wohnhauses und dient als Schlüssel für die Betriebskosten-Aufteilung. Wie er berechnet wird, und was man dazu wissen sollte.

Der Traum, eine Eigentumswohnung zu erwerben, ist weit verbreitet. Hat man das passende Objekt schließlich gefunden, ist die Verwirrung möglicherweise groß. Denn statt eine 120 m2 große Wohnung erwirbt der Käufer laut Kaufvertrag und Grundbuch einen Anteil von beispielsweise 152/1000 an der Liegenschaft. „Wer eine Wohnung kauft, erwirbt nicht eine bestimmte Quadratmeterfläche, sondern ein Nutzungsrecht an bestimmten Räumlichkeiten der Liegenschaft wie eben der Wohnung", sagt der Wiener Notar Markus Kaspar. „Büros und Ordinationen sowie in speziellen Fällen auch Kfz-Abstellplätze sind laut Wohnungseigentumsgesetz übrigens ebenfalls wohnungseigentumstaugliche Objekte", ergänzt Heinrich Trimmel, Architekt und Sachverständiger in Neunkirchen.

Grundlage für Preisgestaltung

Basis für die im Grundbuch einzutragenden Eigentumsanteile sind besagte Nutzwerte. „Die Nutzwert- beziehungsweise Mindestanteile wiederum sind Grundlage bei der Erstellung des Wohnungseigentumsvertrages", erklärt Kaspar. Festgelegt wird der Nutzwert im Nutzwertgutachten, das in der Regel von Sachverständigen erstellt wird. „Dieses muss beim Kauf einer Wohnung vorliegen", sagt Trimmel. Und da kommen die Quadratmeter ins Spiel: Denn die Nutzfläche, die als Bewertungsgrundlage dient, wird in Quadratmetern angegeben. Während bei bereits bestehenden Gebäuden die Naturmaße dafür herangezogen werden, sind es bei Neubauten Planmaße. Dazu kommen diverse Zu- und Abschläge, die nach der Verkehrsauffassung den Wert des Wohnungseigentumsobjekts steigern oder mindern – in Summe ergibt sich daraus dann der Nutzwert. Grundsätzlich nimmt man als Basis eine Regelwohnung im ersten Stock an, ihr wird der Nutzwert 1,00 je Quadratmeter Nutzfläche zugeschrieben. Alle anderen Wohnungen werden dann mit dieser Regelwohnung verglichen.

Unterschiede zur Regelwohnung werden Trimmel zufolge mit einem Zu- oder Abschlag bei der jeweiligen Wohnung bewertet. So gibt es beispielsweise für eine ruhige Hoflage einen Zuschlag, aber für eine Lage an der lauten Straße einen Abschlag. Auch bessere Ausstattung oder besserer Ausblick im oberen Geschoß führen zu einem Zuschlag. Die Nutzwerte aller Wohnungen zusammen ergeben wiederum den Gesamtnutzwert der Liegenschaft. Steht also im Kaufvertrag ein Anteil von 152, heißt das, dass der Käufer einen Anteil an der Liegenschaft von 152/1000 erwirbt.

Achtung, Außenflächen!

So einfach ist die Festlegung aber nicht immer. Gerade bei Außenflächen kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten. Schließlich gelten Loggien, Veranden und Wintergärten als Nutzfläche, wenn der Nutzwert auch nur bei 50 Prozent des Regelnutzwertes 1,00 liegt. „Terrassen und Balkone gelten aber nicht als Nutzfläche", sagt Trimmel. Über die Frage, was als Loggia zu verstehen sei, ließe sich daher trefflich streiten. „Das WEG definiert eine Loggia als nach einer Seite hin offenen Raum, der direkt an die Wohnung angebaut ist", präzisiert Trimmel. Nachträgliche Zu- und Umbauten oder Planänderungen in der Bauphase können zu Abweichungen führen. „Betragen diese nicht mehr als drei Prozent, haben sie keine Auswirkung auf die Anteile, es braucht kein neues Gutachten", weiß Trimmel.

Aber nicht nur für die Begründung des Wohnungseigentums ist der Nutzwert maßgeblich. Er legt auch die Mitbestimmungsrechte der Eigentümer fest: Je höher der Nutzwert, desto gewichtiger das Stimmrecht. „Der Nutzwert bestimmt das Stimmverhältnis", sagt AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka. Und er ist der Schlüssel, nach dem die Betriebs- und Erhaltungskosten der Liegenschaft verrechnet werden. Somit zahlt jeder Wohnungseigentümer die Ausgaben anteilig gemäß seinem Nutzwertanteil. „Wenn nicht einstimmig etwas anderes vereinbart wurde", präzisiert Kaspar. Die Eigentümer könnten etwa vereinbaren, dass die Kosten in Zusammenhang mit den Wohnungen nach Nutzwerten, die Kosten für den Lift nach einem anderen Schlüssel aufgeteilt würden. Das gilt auch dann, wenn sich in dem Haus etwa ein Lokal befindet. Dann könnten die Eigentümer etwa vereinbaren, dass dessen Betreiber einen höheren Anteil an der Müllgebühr zu tragen habe. Schließlich falle dort, so Trimmel, auch mehr Müll an als in den einzelnen Wohnungen. „Aber dafür ist, wie gesagt, Einstimmigkeit Voraussetzung", sagt Kaspar. 

Tipp 1

Tipp 2

Tipp 3

Was Sie beachten sollten bei der . . . Nutzwertberechnung.

Wohnungseigentumsbegründung. Beim Kauf einer Wohnung muss ein Nutzwerkgutachten vorliegen, worin ihr Nutzwert festgelegt ist. Bei bestehenden Gebäuden werden dazu die Naturmaße, bei Neubauten Planmaße genommen. Grundsätzlich gilt als Basis eine Regelwohnung im ersten Stock, ihr wird der Nutzwert 1,00 je m2 Nutzfläche zugeschrieben.

Diskussionsflächen. Loggien, Veranden und Wintergärten gelten als Nutzfläche (wenn der Nutzwert auch nur 50 Prozent des Regelnutzwertes 1,00 liegt), Terrassen und Balkone nicht. Über die Frage, was als Loggia zu verstehen sei, wird daher oft diskutiert. Definiert wird eine Loggia grundsätzlich als nur nach einer Seite hin offener Raum, der direkt an die Wohnung angebaut ist.

Betriebskosten. Jeder Wohnungseigentümer zahlt die Ausgaben grundsätzlich anteilig gemäß seinem Nutzwertanteil. Die Eigentümer können aber auch anderes vereinbaren – einstimmig. Etwa, dass die Kosten in Zusammenhang mit den Wohnungen nach Nutzwerten, die Kosten für den Lift jedoch nach einem anderen Schlüssel aufgeteilt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2019)

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