EU-Posten: Wann gibt Manfred Weber auf?

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Manfred Weber.(c) APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Der Widerstand gegen den CSU-Politiker als Juncker-Nachfolger ist groß. Wenn er das Feld räumt, könnte Schwung in die Neubestellung der EU-Jobs kommen. Dann wäre aber auch das Spitzenkandidatensystem gefährdet.

Brüssel. Die Suche nach einem neuen EU-Kommissionspräsidenten wird diesmal schwieriger als 2014, als Jean-Claude Juncker bestellt wurde. So viel ist nach dem EU-Gipfel diese Woche klar. Es gibt aktuell keinen Kandidaten, der in den entscheidenden Gremien – Europäischer Rat und Europaparlament – mehrheitsfähig wäre. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs zeichnete sich Widerstand gegen den Favoriten der stärksten Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, ab. Insgesamt zehn EU-Regierungen sollen sich mehr oder weniger klar gegen ihn ausgesprochen haben – darunter Frankreichs Staatspräsident, Emmanuel Macron. Und auch im EU-Parlament hat Weber derzeit keine Mehrheit hinter sich. Die großen Fraktionen des Hauses sind sowohl in inhaltlichen Fragen als auch bei den anstehenden Personalfragen derzeit nicht konsensfähig.

Damit Schwung in die Debatte kommt, müsste Weber selbst einen Rückzieher machen. Denn Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, kann den Kandidaten, der noch dazu von der Schwesterpartei CSU kommt, nicht fallen lassen. Das würde ihr innenpolitisch zu große Schwierigkeiten bereiten. In ihrer Pressekonferenz in Brüssel erwähnte sie den Namen Weber freilich nicht mehr. Und sie gab die Schuld allein dem Europaparlament, das sich bisher nicht geeinigt habe, einen der drei erfolgreichsten Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl – Manfred Weber, Frans Timmermans oder Margrethe Vestager – zu unterstützen.

In Wahrheit geht die Blockade aber nicht allein vom Parlament aus. Auch die EU-Regierungsspitzen haben bisher noch kein Personalpaket gefunden, das eine Chance auf breite Zustimmung hätte. Denn neben dem Kommissionspräsidenten müssen auch noch der künftige Ratspräsident, der EZB-Präsident und der EU-Außenbeauftragte nominiert werden.

Zeit bis zum Gipfel am 30. Juni

Nun hat Ratspräsident Donald Tusk bis zu einem Sondergipfel am 30. Juni Zeit, ein neues Paket zu schnüren. Entweder kommt er den Gegnern von Weber mit Zusagen beim Rest des Personalpakets entgegen, oder er setzt auf einen neuen Kompromisskandidaten. Ist Weber weg, so warnte Merkel, wäre allerdings auch das vom EU-Parlament forcierte Spitzenkandidatensystem Vergangenheit. Es sollte sicherstellen, dass nur ein europaweiter Spitzenkandidat Kommissionspräsident werden kann. Dann wären auch Timmermans (Sozialdemokraten) und Vestager (Liberale) aus dem Rennen. Beispielsweise könnte in diesem Fall Brexit-Verhandler Michael Barnier nominiert werden. Er würde – obwohl ein Konservativer – voraussichtlich auch von Macron akzeptiert werden. Weber und Timmermans müssten dann zumindest mit anderen Jobs (EU-Parlamentspräsident bzw. EU-Außenbeauftragter) abgefunden werden. Dann braucht es nur noch einen geeigneten Rats- und einen EZB-Präsidenten. Ihre Bestellung ist insoweit einfacher, als bei ihnen das EU-Parlament kein Mitentscheidungsrecht hat. (wb/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2019)

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