Meine Honorare

„Du verkaufst dich viel zu billig“, keppelt meine Chefin Cleo.

„Du verkaufst dich viel zu billig“, keppelt meine Chefin Cleo. Sie ist die Finanzministerin und handelt für mich und meine Einmann-Agentur die Verträge aus. Ich entwerfe Logos. Einfache Schriften und Zeichnungen für Briefpapier, Büros, Schilder, Hinweistafeln, Visitkarten, Websites. Kürzlich erfand ich für die Gemeinde Wien (Sie verstehen: ein neuer Bürgermeister) eine hübsche Schrift, die mich selbst ob ihrer Schlichtheit, Klarheit und Schönheit entzückte: Stadt Wien. Just zur selben Zeit beauftragte mich Frau Hartinger-Klein, die ich ob ihrer eindrucksvollen Auftritte im Nationalrat in liebevoller Erinnerung trage, mit einem Logo für die neue Gesundheitskasse. Ich malte also einen Kreis. Ganz klassisch, indem ich mit dem Filzschreiber eine 5-Cent-Münze umrundete. Daneben schrieb ich: Österreichische Gesundheitskasse. Eine Herausforderung. Aber sie gelang. Die Honorarnote überließ ich meiner Cleo. Mit jeweils fünf Euro hatte ich gerechnet, Spesen für ein Blatt Papier, Schreibzeug und Tramway. „Du bist unmoralisch und verrückt“, stammelte ich, als ich den Kontoauszug sah: 595.000 Euro (inkl. MWSt) hatte sie der Gemeinde Wien abgeknöpft, 400.000 Euro der noch gar nicht in Betrieb gegangenen Gesundheitskasse. Cleo konterte abgebrüht: „Unmoralisch vielleicht. Verrückt sind andere . . . Ganz andere.“ (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2019)

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