Der Abschied der Maria V.

Maria Vassilakou bei ihrer letzten Rede vor der grünen Basis, die sich auf die kommende Nationalratswahl einstimmte.
Maria Vassilakou bei ihrer letzten Rede vor der grünen Basis, die sich auf die kommende Nationalratswahl einstimmte. APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Die Wiener Grünen verabschiedeten am Samstag ihre Frontfrau Maria Vassilakou und stimmten sich auf die kommende Nationalratswahl ein. Auch mit Seitenhieben gegen die SPÖ.

Nie ist die Liebe so groß wie im Abschied. Diese alte Weisheit bewahrheitet sich (wieder einmal) an diesem Samstag. Auf der Bühne steht die grüne Vizebürgermeisterin und Stadträtin Maria Vassilakou, tief gerührt von dem frenetischen Applaus als Zeichen der uneingeschränkten Zuneigung der grünen Basis. Vergessen sind in diesem Moment die eher unschönen Szenen vor einigen Monaten, in denen grüne Basisfunktionäre ihre Parteichefin öffentlich zum Rücktritt aufgefordert haben. Und ihr dabei auch Verrat an den grünen Werten vorgeworfen haben. Und dazu Abspaltungen von den Wiener Grünen im Raum standen. Aber das geplante Hochhaus eines Immobilieninvestors am Heumarkt wird in diesen Minuten im gnädigen Blick zurück vergessen.

Es war jenes Projekt, das die Partei gespalten und in der Folge auch zum Abschied von Vassilakou an der Spitze der Wiener Grünen geführt hat.
Die grüne Landesversammlung steht an diesem Tag im Zeichen des Abschieds und des Neuanfangs – weil Vassilakou an diesem Tag das Zepter an ihre Nachfolgerin Birgit Hebein übergibt und die Listenerstellung für die kommende Nationalratswahl auf dem Programm steht, bei der die Grünen den Wiedereinzug in den Nationalrat schaffen wollen.

Wobei zuerst der Abschied zelebriert wird. Marco Schreuder, der erfolgreiche Aktivist, der wie Vassilakou von der grünen Basis demontiert worden war, führt als Moderator durch die Würdigungen für die polarisierende Politikerin. Ein Film mit Fotos aus Vassilakous Vergangenheit zieht über die Bildschirme im Saal. Vassilakou am Anfang ihrer Karriere mit Alexander Van der Bellen, mit Christoph Chorherr und auch mit Eva Glawischnig, die seit ihrem Wechsel zu Novomatic bei den Grünen eher weniger gern gesehen ist. Dazu noch Raritäten aus dem Vassilakou-Fundus wie Bilder mit Thomas Gottschalk und Arnold Schwarzenegger. Beendet wird das Video mit dem Schriftzug: „Danke, Mary.“ Später wird sich Vassilakou für die Serie an Würdigungen bei der grünen Basis mit den abschließenden Worten bedanken: „Ich liebe euch!“

Die Laudatio übernimmt Christoph Chorherr, der ebenfalls einen Abschied feiert: „Das hier ist wahrscheinlich auch meine letzte Rede“, meint der Grüne Schattenplanungsstadtrat, der sich aus der Politik zurückzieht. Und wie bei Chorherr üblich, gibt es launige Worte: „Vassilakou war neun Jahre lang Stadträtin. Das ist ein Jahr länger als Obama im Amt war.“
Und sie habe mit der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, der 365-Euro-Jahreskarte für die Wiener Linien, die Neugestaltung der Mariahilfer Straße und dem Ausbau von Radwegen gegen alle Widerstände viel erreicht. Chorherr thematisierte aber auch die internen grünen Querelen: „Die härtesten Verletzungen sind jene, die von den eigenen Leuten kommen. Vielleicht lernen wir daraus.“

Peter Pilz und die Piranhas. Vassilakou selbst ließ ihre Zeit bei den Grünen Revue passieren: „Ordentlich mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich hier verbracht“, erklärte die in Athen geborene Politikerin, die 1993 zu den Grünen gekommen war. Und für ihre Abschiedsrede bei der Landesversammlung in ihrem Archiv gekramt hatte. So kam sie mit ihrer ersten handgeschriebenen Rede aus dem Herbst 1995, mit der sie sich um ein Mandat bei den Grünen beworben hatte. Und: „Ich erinnere mich auch noch an die Zeit, wie ich zu Peter Pilz zum Kennenlerntermin gebracht wurde und da staunte ich nicht schlecht über das Aquarium, in dem er Piranhas hielt“, erzählte sie.

Es ist der letzte Auftritt Vassilakous als grüne Frontfrau. Denn kurz danach wird ihre Nachfolgerin Birgit Hebein mit 94,19 Prozent der Stimmen als grüne Vizebürgermeisterin und Stadträtin für die Stadtregierung designiert. Und Hebein gibt gleich die Marschroute vor: „Ich trete nicht des Amtes wegen als Vizebürgermeisterin an – sondern, weil ich etwas bewegen will.“ Nachsatz: „Ich will Wahlen gewinnen.“

Wie sie das erreichen will, stellt sie in ihrer Rede schnell klar: „Ich will Wien zur ersten Stadt machen, in der es keine Kinderarmut gibt. Und ich will Wien zur ersten Klimahauptstadt Europas machen.“ Nachsatz: „Wir können möglicherweise die Fehler der Vergangenheit nicht beheben. Aber wir werden alles tun, damit wir die Klimakrise eingrenzen können.“ Und sie lieferte gleich eine Kampfansage an den roten Koalitionspartner: „Wir kämpfen gegen eine Politik, die einen Tunnel durch ein Naturschutzgebiet bauen will“, so Hebein in Anspielung an den Lobau-Tunnel: „Aber sicher nicht mit uns“, poltert sie in den Saal. Es ist ein Satz, der an diesem Tag noch öfter fallen wird. Und auch Bundesparteichef Werner Kogler teilt etwas später in Richtung Wiener SPÖ aus; wegen der Neugestaltung der Mariahilfer Straße, also dem grünen Prestigeprojekt. Man müsse sich ansehen, wie das gelaufen ist, erklärt Kogler: „Wenn man schon nicht sagen will, dass man verraten wurde“, so Kogler über die Wiener SPÖ, dann müsse man zumindest sagen, dass man bei der schwierigen Umsetzung von ihr im Stich gelassen worden sei.

Nebenbei wählten die Wiener Grünen ihre Liste für die kommende Nationalratswahl nach einem neuen Modus. Der bisherige umweltpolitische Sprecher der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Lukas Hammer, wird die Landesliste anführen. Auf den weiteren Plätzen folgen Bundesrätin Ewa Dziedzic, die frühere Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer, die Rektorin der Akademie der bildende Künste Eva Blimlinger und Gemeinderätin Faika El-Nagashi.

Karriere

Maria Vassilakou wurde 1995 ÖH-Generalsekretärin, gleichzeitig holte Peter Pilz sie für den Grünen Klub im Wiener Rathaus.

1996 erfolgte der Einzug in den Wiener Gemeinderat.

2005 war sie Spitzenkandidatin der Grünen bei der Wiener Gemeinderatswahl.

2010 wurde Vassilakou Vizebürgermeisterin und Stadträtin in der rot-grünen Koalition.

2019 wird Birgit Hebein bei der Grünen Landesversammlung als Nachfolgerin designiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2019)

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