Weil die Arbeitsunfälle zurückgehen, soll das Geld in die Pflege umgeschichtet werden, fordert die ÖVP. Die AUVA soll zur Unfall- und Pflegeversicherungsanstalt werden. Die Idee einer verpflichtenden Pflegeversicherung stößt auf breite Ablehnung.
Wien. Die ÖVP präsentiert heute ihr Modell zur Pflegereform. Wie Ö1 berichtet, soll laut ihren Vorstellungen die Pflege künftig über Beiträge aus der Sozialversicherung präsentiert werden. Nun wurden weitere Details bekannt: Weil die Zahl der Arbeitsunfälle sinkt, soll das frei werdende Geld in die Pflegeversicherung fließen, berichtet das Ö1-Frühjournal. Damit soll sichergestellt werden, dass die Abgabenquote für Erwerbstätige gleich bleibt. Die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) soll zur Unfall- und Pflegeversicherungsanstalt werden. Fehlendes Geld soll aus dem Staatshaushalt zugeschossen werden. Außerdem sollen Behördenwege vereinfacht werden. Mobile Dienste und die 24-Stunden-Betreuung sollen ausgebaut, Karenzmöglichkeiten erweitert werden. Die Betreuung von Pflegebedürftigen zu Hause hat für die ÖVP Priorität.
Der Vorstoß der ÖVP für die Etablierung einer Pflegeversicherung ist am Sonntag durch die Bank auf ablehnende Reaktionen gestoßen. Weder ÖGB noch der SPÖ-nahe Pensionistenverband, weder der ehemalige Koalitionspartner FPÖ noch die Neos können sich eine solche Versicherung vorstellen. Diese werde zu weiteren finanziellen Belastungen führen, so der Tenor.
SPÖ will kostenfreie, staatlich finanzierte Pflege
Der ÖVP-Vorschlag sei „enttäuschend“, sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die Volkspartei verlasse damit den Pfad der Steuer- und Abgabenreform, in der die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge vorgesehen gewesen sei. Am Ende käme eine zusätzliche Pflichtversicherung und damit „schon wieder eine Mehrbelastung für alle Steuerzahler und Sozialversicherten“ heraus. Stattdessen wäre es möglich, „ein nachhaltiges Pflegesicherungskonzept aus dem System zu finanzieren“. Hofer schlägt die Schaffung einer Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung vor.
Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner spricht sich gegen eine Pflegeversicherung aus – und verweist auf das „umfassende und nachhaltige Pflegekonzept“ ihrer eigenen Partei, „das eine kostenfreie, staatlich finanzierte Pflege vorsieht. Dieses Paket ist sofort umsetzbar und würde sicherstellen, dass es Verlässlichkeit und Sicherheit bei der Pflegefinanzierung gibt“, so Rendi-Wagner.
ÖGB: „Allgemeines Geschwurbel ohne Substanz"
Die Neos sehen im ÖVP-Vorschlag den Versuch, das Pferd von hinten aufzuzäumen. „Die Herausforderungen im Bereich der Pflege werden nicht gelöst, indem man zuerst über Finanzierung spricht“, so Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Vielmehr brauche es ein fundiertes Pflegekonzept. Erst danach könne man seriös über die Finanzierung sprechen. Als Problem sieht Loacker, dass die Pflege in Österreich immer noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sei. „Soll die Qualität der Pflege auch in Zukunft von der Postleitzahl abhängen?“
Der ÖGB ist wenig überraschend gegen den ÖVP-Vorstoß. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian fordert ein Gesamtkonzept und kritisiert, dass „fast zwei Jahre zu diesem Thema seitens der alten Regierung gar nichts passiert ist“. In dem ÖVP-Vorschlag ortet er „allgemeines Geschwurbel ohne Substanz“. Katzian schlägt die Einführung einer „Millionärssteuer“ vor, die für die Pflege zweckgebunden sei.
Und der SPÖ-nahe Pensionistenverband hält eine steuerfinanzierte Pflege „für besser“. Eine „würdevolle Pflege“ dürfe nicht von der Höhe der Versicherungsleistung abhängig sein, so Generalsekretär Andreas Wohlmuth in einer Aussendung. (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2019)