Vulkanasche: Einheitliche Grenzwerte ab Herbst

Vulkanasche Grenzwerte Herbst
Vulkanasche Grenzwerte Herbst(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Der Ausbruch des Eyjafjallajökull erwischte die Flugsicherheitsbehörden unvorbereitet. Ab Herbst soll es einheitliche Richtlinien zum Umgang mit Vulkanasche geben.

War die tagelange Sperre des österreichischen (und europäischen) Luftraums wegen des Ausbruchs des isländischen Eyjafjallajökull Mitte April wirklich nötig? Eine einheitliche Antwort auf die Frage gibt es bis heute nicht. Eine Lehre haben die Flugsicherheitsbehörden (in Österreich die Austro Control) jedoch bereits gezogen: Um künftig der harschen Kritik der Airlines zu entgehen, die Sperren seien überzogen gewesen, sind international verbindliche Grenzwerte in Ausarbeitung.

„Die Presse“ erfuhr, dass die internationale Luftfahrtorganisation ICAO bis zu ihrer Generalversammlung im September in Montreal weltweit gültige Richtlinien und Grenzwerte für die Konzentration für Vulkanasche herausgeben will. Austro-Control-Vorstandsdirektor Heinz Sommerbauer bestätigte diese Information.

Machen fixe Werte Sinn?

Dabei ist es mehr als fraglich, ob feste Grenzwerte überhaupt Sinn machen. Seit mehreren Jahren schon versucht die ICAO, mit Triebwerksherstellern auf einen gemeinsamen Zweig zu kommen. Bisher erfolglos, denn: Wissenschaftler der ETH Zürich wiesen darauf hin, dass nicht nur die Konzentration der Vulkanasche in der Luft ausschlaggebend sei, sondern insbesondere auch die Zeit, wie lange die Triebwerke den feinen Partikeln ausgesetzt sind.

Vulkanasche wirkt auf moderne Turbinentriebwerke auf zweierlei Art schädlich. Die harten Partikel können die Turbinenschaufeln wie mit einem Sandstrahler abschmirgeln und so die Leistung des Triebwerks mindern. Viel gefährlicher wird es, wenn die Vulkanasche in den Brennkammern schmilzt, in den kühleren Bereichen der Turbine wieder abkühlt und zu Glas erstarrt. Einspritzdüsen werden so blockiert, das Triebwerk fällt aus.

Ein weiteres Problem für die Erstellung generell verbindlicher Grenzwerte sind die höchst unterschiedlichen Beobachtungen, die Flugtechniker nun beim Untersuchen von Triebwerken gemacht haben. In Wien etwa inspizierten die Experten der Austro Control eine Maschine der russischen Ural Airlines, die trotz des Flugverbots von Moskau nach Rom unterwegs war und schließlich in Schwechat landete. Ergebnis: keines. Die Triebwerke waren völlig unbeschädigt und frei von Asche, weshalb Österreich seinen Luftraum schließlich vor vielen anderen europäischen Ländern wieder öffnete.

Ganz anders hingegen waren die Beobachtungen der finnischen Luftwaffe. Wenige Stunden vor dem europaweiten Flugverbot waren die Streitkräfte über Skandinavien mit F18-Kampfjets unterwegs. Bei der anschließenden Inspektion entdeckten die Ingenieure in den Triebwerken deutlich sichtbare Ablagerungen von geschmolzener Vulkanasche. Die Armee veröffentlichte die Fotos im Internet.

Die großen Triebwerkshersteller (General Electric, Rolls Royce) hingegen wollten öffentlich bisher noch nichts über ihre Erfahrungen mit der isländischen Aschewolke sagen. Auf „Presse“-Anfrage hieß es stets: „Wir besprechen das vorerst nur mit den zuständigen Behörden.“

Erklärbar sind die voneinander abweichenden Erfahrungen damit, dass die Konzentration der Vulkanasche in der Luft über Europa offenbar höchst unterschiedlich war. Wie genau, weiß niemand. Es wurde nämlich kaum gemessen. Austro-Control-Vorstandsdirektor Sommerbauer kritisiert, dass es Tage dauerte, einige wenige Flugzeuge mit Messinstrumenten auszurüsten. Viele Tage lang standen den Behörden nämlich nur die mathematischen Berechnungen des Volcanic Ash Advisory Centres (VAAC) in London zur Verfügung.

Ein Problem, auf das die Europäische Union nun reagieren will. Feste Grenzwerte machen nämlich auch nur dann Sinn, wenn sie zuverlässig auch in mehreren tausend Meter Höhe gemessen werden können. Vergangene Woche erklärte der Verkehrsministerrat die Absicht, ein entsprechend dichtes Messstellennetz in den nächsten Jahren aufzubauen. Das entsprechende Papier liegt der „Presse“ vor. Wie das dann in der Praxis funktionieren soll, ist jedoch offen.

Der britischen Luftfahrtbehörde CAA ist das nicht schnell genug. Sie hat – nach Rücksprache mit einigen Herstellern – Aschekonzentrationen unter zwei Milligramm pro Kubikmeter inzwischen als unbedenklich erklärt. Die Konzentration während der Luftraumsperre war oftmals nicht einmal halb so hoch.

Ein Sprecher des Flugzeugherstellers Airbus begrüßte den britischen Vorstoß. Was nicht verwundert: Laut einer Schätzung des Weltluftfahrtverbandes IATA kostete die Luftraumsperre die Airlines 1,26Milliarden Euro. Ein Schaden, den es unter Berücksichtigung des damals noch nicht gültigen britischen Grenzwertes gar nicht gegeben hätte.

„Vermutlich keine Sperren“

Und wie geht es im Luftraum derzeit weiter? Seit einigen Tagen zittern Touristikunternehmen und Airlines gleichermaßen vor neuen Ausbrüchen des isländischen Vulkans. Denn mehrmals mussten in West- und auch Mitteleuropa Flughäfen vorübergehend gesperrt werden. So waren Anfang der Woche mehrere Airports in den Tourismusgebieten von Spanien, darunter wichtige Destinationen auf den Kanarischen Inseln und Marokko, für Stunden zu.

In Österreich wird es in den nächsten Tagen vermutlich keine Luftraumsperren geben. „So genau kann man sich natürlich nicht festlegen, aber es schaut nicht schlecht aus“, sagte ein Sprecher der Austro Control am Mittwoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

Vulkanasche: Lufthansa startet Messflug über Europa

Mit einem speziell ausgerüsteter Airbus A340-600 will die Lufthansa die Vulkanasche-Konzentration über Europa messen. Anhand der gesammelten Daten soll über mögliche Luftraumsperren entschieden werden.
Island AscheWolke wieder ueber
Weltjournal

Island: Asche-Wolke wieder über neun Kilometer hoch

Der Eyjafjalla in Island spuckt wieder verstärkt Vulkanasche, Anfang der Woche könnte die Wolke wieder in Richtung Europa geweht werden. Österreich ist nach derzeitigem Stand weniger betroffen.
Schaeden durch Vulkanasche Euro
Weltjournal

EU: Schäden durch Vulkanasche bis zu 2,5 Mrd. Euro

Kommissar Kallas will mit teilweise gelockerten Flugregeln helfen, nicht aber mit finanzieller Unterstützung für die Fluggesellschaften. Das sei Aufgabe der Nationalstaaten.
Vulkanasche Weitere Airline prueft
Weltjournal

Vulkanasche: Weitere Airline prüft Schadenersatz-Klage

Nach Lufthansa, Air Berlin und Austrian Airlines erwägt nun auch Easyjet eine Klage. Die Österreicher sind gegen eine staatliche Hilfe für angeschlagene Fluggesellschaften.
Vulkanasche Islands Flughafen wieder
Weltjournal

Vulkanasche: Flughafen Reykjavik wieder geöffnet

Die Asche des Vulkans Eyjafjallajökull hat für mehrere Tage den internationalen Flughafen Keflavik lahm gelegt. Am Montag konnten auch in Island die Flugzeuge wieder normal starten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.