Die SPD bekommt eine Doppelspitze - aber erst im Advent

Dauerhaft will keiner der Interimschefs den Job machen, also weder Manuela Schwesig noch Malu Dreyer oder Thorsten Schäfer-Gümbel.
Dauerhaft will keiner der Interimschefs den Job machen, also weder Manuela Schwesig noch Malu Dreyer oder Thorsten Schäfer-Gümbel.(c) REUTERS (Annegret Hilse)
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Erstmals sollen die Mitglieder über ein mögliches Führungsduo entscheiden. Jetzt fehlen nur noch die Kandidaten.

Berlin. Deutschland steuert auf eine Rekordhitze zu. Im Laufe der Woche könnten die Temperaturen auf über 40 Grad klettern. Doch wenn die mitregierende SPD das nächste Mal wieder eine gewählte Führung hat, liegt vielleicht schon Schnee: Der Parteivorstand fixierte am Montag einen Fahrplan zur Wahl der nächsten Vorsitzenden – und lehnte dabei ein Vorziehen des für 6. bis 8. Dezember anberaumten Parteitags überraschend ab.

Seit 22 Tagen schon, seit dem Rücktritt von Andrea Nahles, ist Deutschlands älteste Partei ohne gewählte Spitze. Die SPD wird von einem Spitzentrio verwaltet. Dauerhaft will keiner der Interimschefs den Job machen, also weder Manuela Schwesig noch Malu Dreyer oder Thorsten Schäfer-Gümbel.

Die zu vergebende Aufgabe ist auch schwierig. Die künftige Parteispitze muss die SPD aus der schwersten Krise der Nachkriegsgeschichte führen und dabei den moderaten und linken Parteiflügel zusammenhalten. Einer allein schafft das wohl nicht. Die SPD öffnet sich nun für eine Doppelspitze: Bewerber sollen auch im Tandem antreten können. Vorbild sind hier die Grünen, bei denen Robert Habeck und Annalena Baerbock derzeit gute Figur machen. Es gibt aber auch zuhauf Beispiele für gescheiterte Doppelspitzen. Vom 1. Juli bis 1. September kann man sich jedenfalls bewerben. Entscheiden sollen dann die knapp 440.000 Mitglieder. Auch das ist eine Neuerung und ein Herzensanliegen der Basis, das in vielen der 23.000 Vorschläge zum Prozedere ventiliert wurde.

Am österreichischen Nationalfeiertag, dem 26. Oktober, soll das Ergebnis feststehen, wenn niemand 50 Prozent erreicht, würde es danach noch eine Stichwahl geben. Der Parteitag im Dezember muss das Votum dann noch abnicken. Jedenfalls werden sich „erstmals in der deutschen Parteiengeschichte“ Teams einer Mitgliederbefragung stellen, sagte Interimschef Schäfer-Gümbel. Die Kandidaten sollen sich zuvor auf Regionalkonferenzen im ganzen Land messen. Das kam schon beim Regierungspartner CDU gut an. Über Wochen saugte der Kampf um den CDU-Vorsitz die mediale Aufmerksamkeit auf und erzeugte eine Aufbruchsstimmung (die bei den Christdemokraten aber wieder verflogen ist).

Die möglichen Anwärter

Es gibt also einen Fahrplan, noch fehlen aber die Kandidaten. Familienministerin Dr. Franziska Giffey werden hartnäckig Ambitionen nachgesagt. Allerdings wackelt der Doktortitel, ihre Dissertation steht unter Plagiatsverdacht. Bestätigt sich der Vorwurf, gilt das als Rücktrittsgrund, wie die Schicksale der Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan bezeugen. Behält sie den Doktortitel, hat Giffey gute Karten: Einer Doppelspitze muss eine Frau angehören. Auch über männliche Anwärter wird spekuliert. SPD-General Lars Klingebeil und Juso-Chef Kevin Kühnert schlossen eine Kandidatur nicht aus. Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil, winkte zwar ab, doch das letzte Wort ist hier vielleicht noch nicht gesprochen.

Im Dezember steht auch die Halbzeitbilanz der Großen Koalition an. Die SPD könnte dann die „Revisionsklausel“ ziehen und aus der ungeliebten Koalition aussteigen. Es wird ein heißer Advent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2019)

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