ElefantInnenrunde – echt jetzt?

(c) Peter Kufner
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Geschlechtergerechtigkeit. Nicht nur was gesagt wird ist wichtig, auch von wem und wie. Die Gender-Frage aus dem Blick der Partizipation.

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Sie kennen das sicher auch, haben das erlebt: Es klingt interessant, das Thema für diese Podiumsdiskussion. Ist ja wichtig. Eine Zukunftsfrage, die uns alle, die gesamte Gesellschaft betrifft. Und dann? Fünf mittelalterliche Herren sitzen da oben und sondern ihre (seit vielen Jahren gleichbleibenden) Weisheiten ab. Unter der charmanten Moderation einer hübschen Journalistin, die ihre Tochter oder – bei zwei der Herren – auch schon ihre Enkelin sein könnte.

„Damit nicht nur Männer da oben sitzen“, mag der Veranstalter vielleicht bei der Entscheidung für die Moderation sogar gedacht haben. Leider immer noch kein Einzelfall. Zugegeben, bei manchen technischen Themen in den Mint-Fächern mag es tatsächlich einiges Schürfens bedürfen, um nicht der Versuchung zu erliegen, den honorigen Herrn Professor einzuladen, sondern eine Dozentin oder Leiterin einer Forschungsabteilung, vielleicht muss man dafür auch ins Ausland blicken.

Die Masterminds hinter unzähligen Veranstaltungen und Publikationen, aber auch von Projekten und Prozessen machen es sich schlicht immer noch zu einfach und greifen zum Erstgereihten. Das führt aber gerade bei Themen im Zentrum von Transformationsprozessen zu einer drastischen Entwertung des jeweiligen Projekts. Fragen wie „Digitalisierung“ oder „Anpassung an den Klimawandel“ oder „Integration“ betreffen ohne jeden Zweifel unsere Gesellschaft als Ganzes.

Rolle der Frau unterbelichtet

Jedes Vorhaben, Prozesse wie diese zu analysieren und dabei die Hälfte ebendieser Gesellschaft unzureichend zu involvieren, trägt den Keim des Scheiterns schon in der Konzeptionsphase in sich.

Vielfach wird diese Forderung unmittelbar mit „Geschlechtergerechtigkeit“ verknüpft und damit, dass die Rolle der Frauen in diesen Prozessen unterbelichtet wird. Ja eh. Es ist aber zunächst zentral, dass die gesellschaftlich relevanten Themen von Repräsentantinnen und Repräsentanten aller relevanten Gruppierungen in den Blick genommen werden. Es geht also gar nicht primär um „Frauenthemen“, sondern um Abbildung des Zugangs aller gesellschaftlichen Akteure (also natürlich auch von Frauen) zu den einzelnen Fragestellungen.

Da eben vor allem Frauen nicht adäquat gestaltend und federführend an der öffentlichen Weiterentwicklung unseres Gesellschaftsvertrages teilhaben, ist dieser Mangel an Partizipation eben fast durchwegs zugleich ein Mangel an Geschlechtergerechtigkeit. Der Endeffekt dieses Mangels: Wenn Frauen nicht in dem ihnen zustehenden Maß an unserem Gesellschaftsvertrag mitschreiben, wird dieser kein tragfähiges Fundament haben und nicht gelebt werden. Ohne Teilhabe keine Identifikation – ohne Identifikation keine Solidarität (alles weibliche Hauptwörter, lustig!).

Gleichgültig, ob Essay, Kommentar, Videobeitrag oder Twitter-Nachricht: Neben der Aussage formt die Wortwahl die Botschaft. Geht es um gesellschaftlich relevante Themen, so ist nicht nur die geäußerte Meinung, sondern auch die Sprache ausschlaggebend. Forderungen nach Inklusion und Partizipation sind demnach nur dann glaubhaft, wenn sie nicht nur prominent als Schlagwörter getrommelt werden, sondern wenn auch der Sprachstil und die Wortwahl diesen Geist „atmen“.

Einzelne Gruppen – also etwa Frauen – „mitzumeinen“, aber in der Sprache unter den Tisch fallen zu lassen ist wie ein Friedensgedicht oder ein Liebesbrief im Morsealphabet.

Fühlt euch doch mitgemeint!

Und kann mir vielleicht jemand erklären, warum sich Elfriede Jelinek, Gerlinde Kaltenbrunner, oder Erika Pluhar bei der Textzeile „Heimat bist du großer Söhne“ „mitgemeint“ fühlen sollen? Es gibt für eine Nation wohl keinen Text mit einem höheren Integrationsauftrag als jenen der Landeshymne, und da wird dann ein Teil der Bevölkerung („Söhne“) direkt angesprochen und der andere Teil möge sich bitte gefälligst „mitgemeint“ fühlen?

Man stelle sich etwa vor, die Bundeshymne würde nur den schwarzen Humor der Wiener preisen. Na, gute Nacht. Aber dann kommt das Totschlagargument: der „schöne alte Text“, das „unantastbare Erbe“, das „Kulturgut“. Hm.

Der Wortlaut der Bundeshymne ist eben kein für sich allein stehendes, unantastbares Kunstwerk wie eine Skulptur oder ein Bild, sondern hat seinen identitätsstiftenden Beitrag zur Ausformung der österreichischen Nation zu leisten. Diesem Auftrag kann die Hymne nur gerecht werden, wenn sie niemanden explizit ausschließt und inklusiv ausgerichtet ist. Die ursprüngliche Formulierung wird diesem Anspruch nicht mehr gerecht.

Unbestreitbar haben viele sprachlich einfach Untalentierte durch furchtbare Konstruktionen und Brechstangen-Genderismus jenen Vorschub geleistet, die meinen, geschlechtergerechtes Formulieren käme einer Entstellung unserer Sprache gleich. Das ist natürlich Blödsinn – viel zu viele können schlicht nicht Deutsch. Wenn jemand, der schlecht formuliert, versucht, sich geschlechtergerecht auszudrücken, bleibt es natürlich vor allem schlecht formuliert, und jede zusätzliche Anforderung macht es, zugegeben, dann noch schwieriger.

Liebe Mütterinnen und Mütter

Zudem ist es vielfach unnötig übertrieben worden. Sie haben doch sicher nicht den Eindruck, der Text, den Sie gerade lesen, ist krampfartig verbogen – dabei ist er doch sicher geschlechtergerecht ausgerichtet. Also: Stimmt die Einstellung und stimmt die Sprachkompetenz, passt auch der Text. Die in der Sprache eingebettete Message ist wichtig – nicht, jede Endung und jedes Pronomen und jede Aufzählung zu „gendern“.

Die Krönung dessen passierte unbewusst einer Freundin, als sie ein Seminar über gesunde Ernährung für Kleinkinder mit den Worten eröffnete: „Liebe Mütterinnen und Mütter!“ Super, oder?

Die ganz lustigen Macho-Muppets (oft dieselben übrigens, die sich an „Gutmenschen“, „Willkommensklatschern“ und „Klimahysterikern“ abagitieren) meinen, dass dann aber auch eine Gegenbewegung einzusetzen hätte, die Formulierungen anpassen solle, die Männer benachteiligt hätten. So ist in allgemeinen Berichten über Gewaltverbrechen fast stets von „Mördern“, „Killern“ und „Tätern“ die Rede, wenn doch die Tat auch von einer Frau hätte begangen werden können.

Benachteiligungsbonus

Erstens ist der männliche Überhang bei Gewaltverbrechen derart groß, dass diese sprachliche Unschärfe unter „Messungenauigkeit“ fällt, und zweitens haben Frauen noch gefühlte Jahrhunderte sprachlichen Benachteiligungsbonus aufzubrauchen, ehe es Zeit wird, darüber nachzudenken, Diskussionsformate von Spitzenkandidaten und -kandidatinnen tatsächlich als „ElefantInnenrunden“ zu bezeichnen.

Ist aber sprachlich ohnehin nicht ganz die feine Klinge.

DER AUTOR

Thomas Jakl (geb. 1965) ist Biologe und Erdwissenschaftler. Er arbeitete bis 1991 an der Uni Wien, wechselte dann ins Umweltministerium. Inzwischen ist er in leitenden Funktionen im Bereich des Umweltschutzes in verschiedenen nationalen und internationalen Institutionen tätig. Unter anderem ist er Mitglied des Vorstandes des Forums Wissenschaft und Umwelt; er war Vorsitzender des Verwaltungsrates der EU-Chemikalienagentur.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2019)

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