Im Abschied fast Liebe zu Maria Vassilakou

Maria Vassilakou mit ihrer Nachfolgerin Birgit Hebein (re.).
Maria Vassilakou mit ihrer Nachfolgerin Birgit Hebein (re.).(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Stadträtin verabschiedete sich am Mittwoch von der politischen Bühne, die nun von Birgit Hebein betreten wurde.

Wien. Da stand also Maria Vassilakou in ihrem sommerlich gelb-grünen Kleid und atmete tief durch, während sich in ihren Augen Tränen der Rührung spiegelten. Bürgermeister Michael Ludwig stand lächelnd an ihrer Seite, während im voll besetzten Gemeinderatssaal (ein seltener Anblick!) minutenlanger Applaus und Standing Ovations auf die Wiener Vizebürgermeisterin niedergingen.

„Nie ist die Liebe so groß wie im Abschied“, hatte Baum-Umarmer und Ex-Neos-Chef Matthias Strolz bei seinem Abschied aus dem Parlament philosophiert. Maria Vassilakous Abschied aus der Politik am Mittwoch im Wiener Gemeinderat hinterließ den Eindruck: Strolz hat recht. Denn derart positive Worte, auch seitens der Opposition, hatte Vassilakou in ihren rund neun Jahren als Vizebürgermeisterin und Stadträtin nie zu hören bekommen.

Erste Migrantin als Stadträtin

„Du warst die erste grüne Vizebürgermeisterin und die erste Stadträtin mit Migrationshintergrund“, verwies Ludwig in seiner Dankesrede auf die Karriere von Vassilakou, die Wegbereiterin und Role-Model für weitere Abgeordnete mit Migrationshintergrund war.

Vassilakou wurde in ihrer rund 30-minütigen, teilweise sehr emotionalen Rede sentimental – und erinnerte sich daran, als sie aus Griechenland kommend aus dem Zug gestiegen war, um in Wien zu studieren. Und sie erzählte, wie sie das kennengelernt hatte, was Wien ausmacht: Anfangs lebte sie in einer kleinen Wohnung mit Ölofen, zum Telefonieren ging sie immer in ein nahe gelegenes Wirtshaus. Einmal, mitten im Winter als es minus 20 Grad hatte, erzählte Vassilakou, streikte ihr Ölofen. Frierend ging sie ins nahe Wirtshaus und telefonierte mit ihren Eltern in Griechenland. Dabei habe sie ihren Eltern von der defekten Heizung erzählt, die Beherrschung verloren und zu weinen begonnen. „Und genau in diesem Moment verwandelte sich dieses Wirtshaus in eine riesige Familie“, erinnerte sich Vassilakou. Ein Gast hätte ihr, die vor Kälte zitterte, eine warme Suppe gebracht, ein anderer ein Achterl Rotwein. Und die Wirtin hätte sie umarmt und gesagt: „Schatzl, was auch immer es ist, setz dich her. Alles wird gut.“ Damals hätte sie erkannt: „Dieses Wien ist Wien. Dieses Wien ist unser Wien.“ Nachsatz: „Die Häuser sind nicht Wien. Die Paläste am Ring sind nicht Wien. Wien sind wir alle.“ Und Vassilakou beendete ihre Rede mit dem Satz: „Ich gehe mit einem letzten Wunsch an die Abgeordneten. Passen Sie gut auf sich auf, und passen Sie gut auf Wien auf.“

Während Vassilakou durch die Seitentür des Sitzungssaals entschwand, wurde auch Thomas Reindl, Vorsitzender des Gemeinderats, zum Philosophen. „Jeder Abschied ist ein neuer Anfang“, leitete er zur Rede von Birgit Hebein über, die sich als Vassilakou-Nachfolgerin im Gemeinderat der Wahl zur Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Verkehr und Stadtplanung stellte. „Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen“, erklärte Hebein zum Auftakt ihrer Rede, welche (wieder) die neuen Schwerpunkte der Wiener Grünen zeigte: „Ich habe zwei Eckpfeiler: Klimaschutz und den sozialen Zusammenhalt“, umriss Hebein ihr künftiges Programm. Nebenbei solle jeder Bezirk eine Begegnungszone bekommen, und bis 2030 sollen in einigen Bezirken auch Straßen rückgebaut werden.

Hebein nun Stadträtin

Auch wenn Hebein in ihrer Rede ständig das Gemeinsame betonte, das in der Politik gefördert werden sollte: Sie erhielt nur 54 von 96 abgegebenen Stimmen. Damit wurde sie zwar von der rot-grünen Mehrheit gewählt, erhielt aber keine einzige Stimme einer Oppositionspartei. Auch bei der Wahl zur Wiener Vizebürgermeisterin erhielt Hebein nur die Stimmen von Rot-Grün.

Wobei die Neos vor der Abstimmung angekündigt hatten, Hebein nicht zu wählen: „Wir haben gestern im Gemeinderat eine Reihe von Anträgen für Klimaschutz in der Stadt gestellt – die Grünen haben alle abgelehnt“, kritisierte Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr: „Hebein hat angekündigt, Wien zur Klima-Hauptstadt zu machen. Dieses Versprechen ist aber nur heiße Luft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2019)

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