Kunst und Kosmos im Museum

Feministisch. Die erste Frau schickte Aleksandra Mir am 28. 8. 1999 auf einen fiktiven Mond.
Feministisch. Die erste Frau schickte Aleksandra Mir am 28. 8. 1999 auf einen fiktiven Mond. (c) Aleksandra Mir
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Das Jubiläum der Mondlandung ist in diesem Sommer auch Anlass für eine Reihe von Ausstellungen in vielerlei Museen.

Damals, vor einem halben Jahrhundert, war der mediale Wirbel groß, weil mit Neil Armstrong am 21. Juli 1969 um 3.56  Uhr MEZ der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte. Jetzt ist der Wirbel wieder groß, weil sich die Mondlandung in wenigen Wochen zum 50. Mal jährt. Damals waren vor allem die Fernsehstationen und Wissenschaftler im Großeinsatz. Allein der ORF berichtete in einer 28 Stunden und 28 Minuten dauernden Live-Sendung über den Apollo-11-Flug. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Archivmitschnitt des ORF just wenige Augenblicke vor dem magischen Moment abreißt, als Armstrong die Tür der Landekapsel aufstößt, um wenige Sekunden später den ersten menschlichen Fußabdruck auf dem Mond zu hinterlassen. Jetzt, 50 Jahre später, ist die Mondlandung zum kulturellen Anlassfall geworden für Jubiläumsaktivitäten jeglicher Art, von Astronomie-Workshops und Sondermünzen über Wissenschaftskabaretts und zeitversetzte Live-Screenings und bis hin zur privat inszenierten und finanzierten Mondlandung.

Antiheld. Vladimir Dubossarskyx/Alexsander Vinogradovs Bildnis des „Cosmonaut No. 1“.
Antiheld. Vladimir Dubossarskyx/Alexsander Vinogradovs Bildnis des „Cosmonaut No. 1“.(c) Dubossarsky/Vinogradov courtesy Vladimir Dobrovolski

Die Museen als Speicher von Wissen und Gedächtnis sind da besonders in der Pflicht. Das Technische Museum Wien zeichnet mit „High Moon" die Entwicklung des Apollo-Programms der Nasa nach. Die vielen Facetten des Monds von der Entstehung, Phasen und Finsternissen, Astronomie, Geologie, Biologie, Kunst und Archäologie bis hin zum begehrlichen Objekt für einen Raumflug beleuchtet das Naturhistorische Museum mit einer interdisziplinären Großausstellung. Das Haus der Geschichte Österreich (hdgÖ) nimmt die Geschichte des ersten und einzigen österreichischen Raumflugs 1991 unter die Lupe. Und für die bildende Kunst ist der Mond ohnehin ein weites Feld und ein große Spielwiese. Vor allem verfügt sie über die Instrumente Ironie und Kritik, die in den Dokumentations- und Wissensausstellungen meist eine untergeordnete Rolle spielen.

Kritik und Ironie. „Ticket to the Moon" in der Kunsthalle Krems nimmt dezidiert die zeitgenössische Perspektive ins Visier. „Die Arbeiten sind abwechslungsreich, medienübergreifend, häufig ganz neu, poetisch, kritisch, feministisch, reflexiv, interaktiv, oberflächenverliebt, ironisch und vieles mehr", beschreibt Kurator Andreas Hoffer die Bandbreite der Arbeiten von Herbert Brandl, Mahony, Jonathan Meese, Aleksandra Mir, Nick Oberthaler, Six/Petritsch und anderen.

Neuland. Thomas Thyrion sondiert mit den Mitteln der Malerei unbekannte Terrains.
Neuland. Thomas Thyrion sondiert mit den Mitteln der Malerei unbekannte Terrains.(c) Thomas Thyrion/courtesy Galerie Bechter Kastowsky

Lena von Lapschina ist mit dem Thema Raumfahrt groß geworden; die gebürtige Russin war Schülerin eines Lyzeums, das unter Patronanz des Kosmonauten Wladimir Schatalow stand. „Ich war damals infiltriert mit diesem Kosmos. Die Direktschaltung zum Mond war gewissermaßen ein Teil des Alltags", sagt sie. Das „Space Race" zwischen Amerika und Russland ist Hintergrund für eine Zeichnungsgruppe, in der sie das historische Ereignis Mondlandung in Beziehung zu Literatur und Science-Fiction, Andersheit und Fremdheit setzt. Wendelin Pressl wiederum greift in einfachst ausgeführten Kartonskulpturen das Paradoxon des Mondes als Projektionsfläche für so vieles auf – „von sehnsuchtsvoll bis rücksichtslos – als wäre er eine riesengroße runde Leinwand, ein Bildschirm, ein Spiegel, auf den wir unsere Bilder und Ideen werfen", so Pressl. Den historischen Anker der Schau bildet eine Schlüsselarbeit von Robert Indiana aus 1969. „Der Mond – die Braunschaft" ist ein zynischer Kommentar zur nationalsozialistischen Vergangenheit Wernher von Brauns, des führenden Kopfs der Mondlandung.

Kaltes Licht. Der rätselhafte Charakter des Mondlichts faszinierte auch René Magritte.
Kaltes Licht. Der rätselhafte Charakter des Mondlichts faszinierte auch René Magritte.(c) René Magritte/Bildrecht Wien 2019

Neugier und Sehnsucht. Weiter zurück in die Geschichte und Kunstgeschichte geht das Museum der Moderne mit „Fly me to the Moon". Die Ausstellung, die vom Kunsthaus Zürich produziert und von dort nach Salzburg geholt wurde, teilt sich in eine Kunst vor der Mondlandung und eine Kunst, die danach oder in Auseinandersetzung damit entstanden ist. „Seit Jahrtausenden übt der Mond eine enorme Faszination auf die Menschheit aus", so Direktor Thorsten Sadowsky. Die Sehnsucht, zum Mond zu gelangen, und die Reise dorthin sind denn auch der rote Faden, der die rund 280 Exponate verbindet. Der Einstieg ist dabei ein wissenschaftlicher mit astronomischen Objekten, Folianten, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen, und Kunstwerken, die von der technischen Errungenschaften des Teleskops und später der Fotografie genährt sind. Die Beschwörung der Poesie und Magie des Monds bleibt hingegen Sache der Malerei. Angefangen von Dürer über Füssli, Segantini, Munch, Kirchner, Munch, Delaunay bis zu den Surrealisten wird das Mondlicht zum Transporteur mystischer, romantischer oder anderweitig geheimnisvoller Stimmungen.

Paradoxon. Wendelin Pressl nimmt die menschliche Lust auf Erkenntnis aufs Korn.
Paradoxon. Wendelin Pressl nimmt die menschliche Lust auf Erkenntnis aufs Korn.(c) Wendelin Pressl/Bildrecht Wien 2019

Ein eigenes künstlerisches Faszinosum stellen Mondkrankheiten und Grenzerfahrungen dar. Dem eigentlichen Ereignis hingegen mit seinem Unmengen an Ressourcen verschlingenden sowie Menschen bindenden Aufwand und militärischen Hintergrund stand die Künstlerschaft mehrheitlich kritisch gegenüber. „Affirmatives Protokollieren und kritisches Denken schließen sich gegenseitig aus", konstatiert die Züricher Kuratorin Cathérine Hug knapp. Die von der Massenkultur inspirierte Pop-Art löste den Konflikt mit Ironie. Robert Rauschenberg, dem die Nasa ihre Archive öffnete, widmete dem ikonischen Ereignis eine lithografische Serie, die laut einem zeitgenössischen Kritiker „zum Avantgardistischsten, was zu jener Zeit im druckgrafischen Bereich entstanden ist", zählt. Viel später porträtierte das russische Malerduo Dobussarsky/Vinogradow den „Kosmonauten Nr. 1" in Kinderbuchmanier. Die Folgen und Nachwehen der Mondlandung sind schließlich das Thema der Gegenwartskunst. In Werken von Sylvie Fleury, Kiki Kogelnik, John Baldessari oder Sonia Leimer kommen Fragen von Gender, Rasse und Kolonialismus ebenso aufs Tapet wie Umweltaspekte. Sadowsky: „Der erstmalige Blick von außen auf den Erdball hat ein neues Bewusstsein für die Fragilität unserer Existenz geweckt, und der blaue Planet selbst wurde zum Sinnbild des Lebens und seiner Verletzlichkeit."

Tipp

„Ticket to the moon" ab 14. 7. in der Kunsthalle Krems. „Fly Me to the Moon" im Museum der Moderne Salzburg ab 20. 7. Weitere Ausstellungen: Technisches Museum Wien (bis 6. 10.), hdgÖ (bis 1. 9.), Naturhistorisches Museum Wien (ab 30. 10.).

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