Geschichten des Jahres 2019

Der Dialekt kehrt zurück in die Schulhöfe

In den vergangenen Jahren irritierten Wiener Jugendliche durch eine Vorliebe für bundesdeutschen Slang und Anglizismen. Aber neuerdings streuen sie immer häufiger Wörter wie „schoaf“ oder „zach“ ein. Acht Beispiele.

Geschichten des Jahres. Dieser Artikel ist am 28. Juni 2019 erschienen.

Der Wiener Dialekt hat es bekanntlich schwer. Er ist übel beleumundet, gilt manchen als Sprache der niederen Schichten. Da halfen auch nicht der Austropop, der beherzt „bewegt sie viere“ auf „seiner Türe“ reimte, oder H. C. Artmann, der „med ana schwoazzn tintn“ schrieb. Zuletzt schien es so, als sei er noch weiter auf dem Rückzug. Einerseits wird er durch sogenanntes Kanakendeutsch bedrängt, andererseits auf den Schulhöfen der Gymnasien durch ein befremdlich bundesdeutsches Idiom ersetzt: Die meisten Eltern haben sich an „lecker“ und „Jungs“ zähneknirschend gewöhnt – und auch an die zunehmend piefkinesische Sprachmelodie.

Die Jugendsprache der vergangenen Jahre basierte also auf einem sehr deutschen Deutsch mit englischen Einsprengseln. Woher diese Entwicklung kam? Manche vermuten moderne Medien als Treiber. Die YouTuber aus Köln und Berlin beherrschen auch den österreichischen Markt. Gar nicht so selten lässt sich an der Sprache des Teenagers sogar ablesen, wen er abonniert hat. Netflix bzw. Amazon bieten außerdem Filme und Serien in Originalfassung an, was dazu führt, dass nicht nur so geläufige Anglizismen wie „nice“ oder „cute“ über den Schulhof klingen, sondern auch Rares wie „sassy“.

Zum deutschen Idiom und der Vorliebe für Anglizismen kommt nun aber ein neuer Trend: Der Dialekt feiert ein vorsichtiges Comeback. Allerdings bedienen sich die Schüler seiner sehr eklektizistisch: Sie pflegen nicht die wienerische Sprachmelodie, sondern picken sich einzelne Vokabel heraus und bauen sie in Sätze ein, die oft unverändert bundesdeutsch klingen. Aufgepasst: Nicht immer verwenden sie diese Wörter in der originalen Bedeutung – aber auch ein echter Wiener läuft Gefahr, etwa das Wort „waach“ misszuverstehen.

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