Wer jetzt noch Sommersachen kaufen will, muss aber wirklich ganz schnell sein, verkündet der Handel. In ein paar Wochen kriegt man dann nur noch dicke Pullis. Ein Ärgernis, alle Jahre wieder.
"Die Tage werden kürzer." Astronomisch gesehen stimmt es sogar. Darf man sich trotzdem gefrotzelt fühlen, wenn einem am 27. Juni, sechs Tage nach Sommerbeginn und bei 34 Grad im Schatten, ein Katalog ins Haus flattert, der genau diesen Satz als Motto nimmt? Damit Kunden - genauer, Kundinnen - "schnell noch neue Lieblingsteile shoppen"? Für die paar wenigen "sonnigen Momente", die das Jahr noch zu bieten hat?
Na ja, eigentlich solle man um diese Jahreszeit ja eh schon lieber Longblazer, Longstrickjacken, langärmelige Shirts, Pullover und Mäntel kaufen, das werde bei Durchsicht des aktuellen Heine-Katalogs klar, ärgert sich Versandhauskundin M. Dazwischen findet man aber schon auch noch recht viel Sommerliches, das muss man bei näherem Hinsehen zugeben.
Sommer"schluss"?
Und überhaupt, nichts gegen Heine: Dass gerade diese Firma jetzt herhalten muss, war quasi ein Zufallstreffer. Was da passiert, ist allgemein üblich, wenn auch vielleicht nicht wirklich gut durchdacht. Wobei der Sommerschlussverkauf, seit er schon im Juni beginnt, sich sowieso meist verschämt "SSV" nennt, oder, wie bei Heine, "Summer Sale". Weil das mit Sommer"schluss" noch vor Beginn der Sommerferien halt wirklich nur bescheuert klingt.
Andersherum funktioniert es genauso: Die Kataloge mit den Daunenmänteln kommen erfahrungsgemäß ab Mitte August, bei ungefähr 30 Grad im Schatten, sodass schon der Anblick Schnappatmung erzeugt. Und im Februar, wenn man so ein Ding wirklich schnell braucht, weil da gerade die erste echte Kälteperiode des Winters eingebrochen ist, rennt man dann bibbernd zum stationären Handel. Und erntet bedauerndes bis irritiert-mitleidiges Kopfschütteln. Was, jetzt? Alles ausverkauft, no na. Aber die neue Bademode hätten wir schon da, schauen Sie, Riesenauswahl.
„Die Kunden erziehen"
"Die Kunden gehören erzogen", auch dieser Satz ist überliefert. Er stammt von einer älteren Supermarkt-Mitarbeiterin, die eine jüngere maßregelte, weil sie es wagte, für Kundin G. noch am fünften Dezember einen Schoko-Nikolo aus dem Lager hervorzukramen. Weil das geht wirklich gar nicht, dass die Leute so etwas am letzten Tag kaufen wollen. Im Oktober kauft man das, damit im Laden wieder Platz wird. Wofür, für die Ostereier? fragte Frau G.
Sie kauft seither anderswo, eine weise Entscheidung. Am Grundprinzip, das im Handel immer mehr Fuß fasst, ändert es aber nichts: Die Lagerhaltung soll gefälligst der Kunde machen. Die Qualitätskontrolle übrigens auch, das betrifft dann technische Produkte: Das Ding wird geliefert, funktioniert nicht, wird umgetauscht. Auch das ist so sehr Routine, dass man meinen könnte, es hätte System. Aber das ist eine andere Geschichte.