Organisation

Die Renaissance der Genossenschaft

Marin Goleminov
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Gegen die Monopolisten im Netz entwickelte der New Yorker Forscher Trebor Scholz den „platform cooperativism“.

Die Sharing Economy sei heute eine Perversion dessen, was ursprünglich darunter verstanden wurde, sagt Trebor Scholz, Professor an der New Yorker New School. Dabei kritisiert er nicht die Idee, Autos, E-Roller, Wohnungen, Bohrmaschinen zu teilen, sondern die dahinter liegenden Geschäftsmodelle. Er stößt sich an der Marktmacht der hinter den Plattformen stehenden Monopolisten.

In seinem Buch „Uber-Worked and Underpaid“ kritisiert er zudem die prekären Arbeitsverhältnisse und den Druck, dem Gig-Worker ausgesetzt sind, als Selbstständige zu arbeiten. „Die Digitalisierung hat die Realität für arbeitende Menschen nicht verbessert“, sagte Scholz kürzlich in Wien.

Vor fünf Jahren stellte er den sogenannten platform cooperativism vor: Genossenschaften sollen Plattformen führen und „so das Internet zurückerobern“. Es gehe „nicht darum, große Unternehmen in die Knie zu zwingen, sondern Lücken zu füllen und Marktfehler auszubessern“, sagt Scholz.

Digitale Plattform-Genossenschaften stehen im Eigentum ihrer Mitglieder und sind demokratisch organisiert. Solche Platform-Coops existieren bereits in zahlreichen Sektoren: von Ferienwohnungen (Fairbnb) über Haushaltsdienstleistungen (Up & Go) bis hin zu Musikstreaming (Resonate). Sie sichern bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen: „Sie sind produktiver und ökonomisch belastbarer.“

Eine Renaissance der Genossenschaft sieht auch Dietmar Rößl, Leiter des RiCC (Research Institute for Co-operation & Co-operatives) an der WU Wien. „Schlagwörter wie Gemeinschaft, Solidarität, Nähe, Regionalität, Anteil haben, Verlässlichkeit etc. gewinnen gerade in Zeiten der zunehmenden Anonymität und Globalisierung an Bedeutung“, sagt er. Genossenschaften wird zugeschrieben, vertrauenswürdig zu sein, regional zu agieren und Verantwortung zu tragen. Verbunden mit der Erwartung, Aufgaben besser erledigen zu können als die öffentliche Hand oder andere Unternehmen: etwa die Betreuung von Senioren und Kindern, Car-Sharing für Wohnhausanlagen. Aber auch vom Zusperren bedrohte Schwimmbäder zu betreiben oder den letzten Greißler oder das letzte Wirtshaus als Kommunikationsdrehscheibe im Ort zu erhalten.

Leistung für die Mitglieder

Als Vorteile der Genossenschaft sieht Rößl das sehr flexible Genossenschaftsgesetz, die einfache Gründung, die kostengünstige Möglichkeit, ein- und auszutreten, und die Pflichtrevision, die die Genossenschaft zu einer sehr stabilen Unternehmensrechtsform mache (anders als ein Verein). „Aufgrund der Pflichtrevision können auch Personen, die im Bereich Betriebswirtschaftslehre und/oder Jus keine Profis sind, unternehmerisch tätig werden. Bei Fragen hilft der zuständige Revisionsverband“, sagt Rößl. Allerdings sei diese Rechtsform bei geringer Geschäftstätigkeit sehr aufwendig. Und: „Sie ist nur als ,kooperatives Geschäftsmodell‘ sinnvoll. Es geht um Leistungen zugunsten der Mitglieder im Sinne des ,Förderauftrags der Genossenschaft‘, nicht aber um Rendite.“

Wie Scholz sieht auch Rößl Indizien dafür, dass Mitglieder in Genossenschaften produktiver sind als in anderen Unternehmen: „Wenn Unternehmen Leistungen erbringen, die den Mitarbeitern Sinn in der Arbeit stiften, beobachten wir eine deutliche Zunahme von intrinsischer Motivation und Commitment.“ Und das gelte eben auch für Genossenschaften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2019)

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