"Money Never Sleeps": Gekkos Gier ist jetzt legal

Money Never Sleeps Gekkos
Money Never Sleeps Gekkos(c) Centfox
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Oliver Stones furiose Fortsetzung seines ikonischen Börsenfilms "Wall Street" wurde in Cannes vorgestellt. Vom Leben in der Bubble.

So hat sich Gordon Gekko seine Rückkehr nicht vorgestellt: Da verlässt der ehemalige König der Wall Street nach langjähriger Haft wegen Versicherungsbetrugs das Gefängnis – und die Limousine, die vorfährt, ist für den schwarzen Exhäftling hinter ihm. Laute Hip-Hop-Musik schallt dem grimmig blickenden Gekko entgegen, während der andere an ihm vorbei und in die Karosse hüpft.

Aber Geld schläft nicht: Wall Street: Money Never Sleeps heißt die am Freitag bei den Filmfestspielen Cannes vorgestellte Fortsetzung des ikonischen Achtzigerjahre-Börsenfilm, der Regisseur Oliver Stone und Michael Douglas, 1988 für seine Gekko-Darstellung mit dem Oscar ausgezeichnet, wieder zusammenführt. Die Jahre im Gefängnis hätten einen neuen Mann aus ihm gemacht, behauptet Gekko: Einst wurde seine Devise „Gier ist gut“ zum geflügelten Wort, nun geht er mit einem neuen Buch auf Lesereise. „Is Greed Good?“ lautet der Titel, und im Vortrag gibt Gekko die Antwort: Sie ist nicht mehr einfach gut – sie ist legal. Und wie ein Krebsgeschwür hat sie ein Finanzsystem infiziert, das über unhaltbaren Spekulationen und dubiosen Verschuldungsstrategien zum Untergang verdammt ist. Wer es genau wissen will, für den habe er drei Wörter, sagt Gekko: „Buy my book!“ Ein geschäftstüchtiger Kapitalist ist er also doch geblieben, auch wenn er sich (einstweilen) nur mehr leisten kann, mit der U-Bahn durch den Big Apple zu fahren.

Wie im ersten Wall Street-Film tritt Gekko als Übervaterfigur auf. Die Hauptrolle in der Fortsetzung spielt der glatte Jungstar Shia LaBoeuf: Jake Moore, einen aufstrebenden Trader, der sich für grüne Energie ins Zeug wirft und Gekkos Tochter heiraten will. Die ist ihrem Vater entfremdet, und so umgarnt Gekko Jake, um seinem Fleisch und Blut wieder näher zu kommen: Nicht das Geld zähle, sondern Zeit – und die Liebsten. Der junge Börsianer ist für die Einflüsterungen des reformierten Älteren besonders empfänglich, weil gerade sein eigener Mentor einem Finanzskandal zum Opfer gefallen ist. Frank Langella spielt diesen alteingesessenen Leiter einer renommierten Investmentfirma, der die neuen Zeiten nicht mehr versteht – und der sich vor den U-Bahn-Zug

wirft, nachdem die Aktienkurse seines Geschäfts wegen einer Gerüchtekampagne in den Keller gerasselt sind. Den eiskalten und demütigenden Buy-out durch seine langjährigen Geschäftspartner verwindet er nicht.

Das ist nur der Auftakt zu einem halsbrecherischen Furioso, mit dem sich Regisseur Stone als Stilist und Sozialsatiriker nach der vor allem wegen schlechten Timings gefloppten Bush-Biografie W.zurückmeldet: Sein damaliger Hauptdarsteller Josh Brolin gibt im zweiten Wall Street den Finanzhai, der am rücksichtslosesten agiert – und bei dem Jake auf Anraten des sichtlich Hintergedanken wälzenden Gekko einsteigt.

„Das Ende der Welt“

Die Fäden zieht freilich ein Konsortium, als dessen graue Eminenz der greise Charakterdarsteller Eli Wallach brilliert. Als der Finanzmarkt auf den totalen Kollaps zusteuert, genügt seine Warnung, um rettende Geldspritzen der Regierung fließen zu lassen: „Sonst ist es das Ende der Welt!“ Dann stößt er einen hämischen Vogelruf aus, während sich ein Kollege echauffiert, dass man durch die öffentliche Hand gerettet werden müsse: „Das ist ja Sozialismus! Dagegen habe ich ein Leben lang gekämpft!“

Stone genießt solche Ironien und lässt obendrein das S-Wort aussprechen, um das sich der angeblich so kritische Michael Moore in seinen Dokumentationen windet – als hieße Sozialismus Kassengift. Vor allem aber findet er Strategien, um ein dialoglastiges Drehbuch visuell eindrucksvoll umzusetzen. Gedankenblitze werden zu Power-Point-Präsentationen, Finanzkatastrophen entfalten sich als Geisterbahnfahrten durch virtuelle Räume in Split Screen, Börsenkurse legen sich über Skylines – die Idee des Geldes formt die Welt. In Wall Street: Money Never Sleeps entwirft Stone seine Kritik an einem entgleisten Systemmissbrauch, indem er das Leben in der Bubble schildert. Dass die platzen muss, macht den Film im Moment der Griechenland-Krise besonders aktuell. In Österreich startet er aber erst im Herbst. Stones letzte Ironie wird da noch gültig sein: Nachdem Gekkos Tochter meint, dass alle mit den Träumen von Gute-Nacht-Erfolgsgeschichten am Finanzchaos mitbasteln, wird ihr trotzdem eine Art Happy End serviert. That's Entertainment – auch eine Form von Spekulation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2010)

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