Handys und Autos ohne Makel

Josef Peter Schöggl erforscht Nachhaltigkeit nicht nur, er lebt sie auch. Sein Skateboard hat er als nachhaltiges Fortbewegungsmittel auf dem Campus stets dabei.
Josef Peter Schöggl erforscht Nachhaltigkeit nicht nur, er lebt sie auch. Sein Skateboard hat er als nachhaltiges Fortbewegungsmittel auf dem Campus stets dabei.(c) © Helmut Lunghammer (Helmut Lunghammer)
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Der Nachhaltigkeitsforscher Josef Peter Schöggl untersucht, wie Produkte gestaltet werden müssen, damit sie weniger negative ökologische und soziale Auswirkungen haben.

Mit unseren technologischen Alltagsbegleitern finanzieren wir indirekt Kriege und Menschenrechtsverletzungen in den Ländern des Globalen Südens mit. Smartphones, Laptops und Tablets enthalten viele verschiedene seltene Metalle, darunter oft Rohstoffe aus Konfliktregionen wie etwa dem Kongo. Große Unternehmen bemühen sich – meist erst auf Druck der Öffentlichkeit – zwar, ihre Lieferketten sauber zu halten. Es ist allerdings nicht nur auf Konsumentenseite schwierig, einen Überblick über alle Aspekte, die ein nachhaltiges Produkt ausmachen, zu bekommen. Abhilfe schafft Josef Peter Schöggl von der Uni Graz: Er hat in seiner Dissertation rund 70 Indikatoren identifiziert, mit denen die Nachhaltigkeit in der Gesamtzulieferkette bewertet werden kann.

 

Nachhaltigkeit hat viele Gesichter

„Mir ging es darum, die Fülle an Bereichen, die für Nachhaltigkeit über CO2-Emissionen hinaus relevant sind, fassbar zu machen“, erklärt der 34-Jährige. „Das betrifft den ökologischen Bereich genauso wie den sozialen.“ Input aus der Praxis holte sich Schöggl von Unternehmen aus der Elektronik- und Automobilindustrie. Waren alle Indikatoren erst einmal identifiziert, erarbeitete er mit Softwareentwicklern ein Konzept für einen in die Internet-Cloud ausgelagerten Datenaustausch entlang der Zulieferkette.

Während ökologische Nachhaltigkeit angefangen von Energie über Abfälle bis hin zu Toxizität präsenter sei, werden soziale Aspekte wie Zwangs- und Kinderarbeit, Gesundheitsschutz, Lohnniveau oder Gewerkschaften oft geflissentlich übergangen. „Als es darum ging, über welche Themen sich die Unternehmen austauschen wollen, hat sich gezeigt, dass etwa die Hälfte der Indikatoren kritisch ist“, so der Nachhaltigkeitsforscher. Seit einzelnen Skandalen, wie jenen um den Apple-Zulieferer Foxconn aufgrund der dortigen Häufung an Suiziden und Arbeitsunfällen, gibt es zumindest zunehmend vereinheitlichte Abfragen für Zulieferfirmen. Diese würden eine Art Beweisführung für die Einhaltung bestimmter Standards einfordern. Manche Unternehmen führen auch selbst Audits vor Ort durch. Die von Schöggl konzipierte Softwarelösung wurde mittlerweile bei vielen der in den Forschungsprozess involvierten Unternehmen – wenn auch nur in abgespeckter Form – implementiert. Aber immerhin: Ein Teil der identifizierten Indikatoren für ökologische und soziale Nachhaltigkeit und deren Einhaltung kann damit nun entlang der gesamten Zulieferkette transparent geteilt werden.

Auch nach seiner Doktorarbeit beschäftigt sich Schöggl weiterhin mit Nachhaltigkeit. Im Anschluss an einen einjährigen Aufenthalt an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm forscht er derzeit in dem im April offiziell eröffneten „Christian-Doppler-(CD)-Labor für Nachhaltiges Produktmanagement“ an einer Kreislaufwirtschaft. „Weil in der Kreislaufwirtschaft der Konsument ein wichtiger Akteur ist, hat er auch Macht und kann bestimmte Entwicklungen steuern“, betont Schöggl.

Sein Forschungsfokus kommt nicht von ungefähr. Schon seit seiner frühen Studienzeit engagiert er sich in seinem Heimatort Mariazell in einem Verein für nachhaltige Regionalentwicklung. Über seinen privaten Einsatz spricht Schöggl bescheiden. Er zieht eine klare Trennlinie zwischen Idealismus und Wissenschaft – auch, um als Forscher nicht angreifbar zu sein. „Natürlich will ich mit meiner Arbeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, aber die wissenschaftliche Nüchternheit soll für sich sprechen“, sagt er. „Manchmal – und das ist eben Forschung – kommt man nicht zu dem Ergebnis, das man gern gesehen hätte. Gerade bei der Implementierung im betrieblichen Bereich schaut's nicht immer rosig aus.“ Und wie geht er mit dieser Ernüchterung um? „Persönlich stimmt es mich traurig, in welchem Zustand sich die Welt gerade befindet“, meint er. „Aber in Bezug auf meine Arbeit sehe ich dadurch eine Chance, weil meine Themen jetzt relevanter werden.“ Diesen will er sich auch in Zukunft widmen – mit einer kurzen Karenzpause im nächsten Jahr. Erst im Frühjahr, fast zeitgleich mit der CD-Labor-Eröffnung, ist Schöggl Vater geworden.

ZUR PERSON

Josef Peter Schöggl (34) forscht am „CD-Labor für Nachhaltiges Produktmanagement“ in einer Kreislaufwirtschaft der Uni Graz. Davor hat er das internationale Joint-Masterstudium Sustainable Development in Graz und Leipzig absolviert. Für seine Dissertation entwickelte er Methoden und Indikatoren für die Bewertung von Nachhaltigkeit eines Produkts auf allen Ebenen der Zulieferkette.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2019)


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