Türkis-blauer Deal in der Nachspielzeit

ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Chef Hofer haben ein Zuckerl für die kommende Wahl. Das Foto zeigt sie noch in alten Regierungszeiten.
ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Chef Hofer haben ein Zuckerl für die kommende Wahl. Das Foto zeigt sie noch in alten Regierungszeiten.APA/GEORG HOCHMUTH
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ÖVP und FPÖ haben sich darauf geeinigt, die für 2020 geplant gewesene Steuerreform mittels Initiativanträgen im Nationalrat im vollen Umfang umzusetzen. Geringverdiener bekommen ab kommendem Jahr bis zu 300 Euro rückerstattet.

Es sollte das Meisterstück der ÖVP/FPÖ-Regierung sein – eine Steuerreform, die Österreich auf Jahre prägt und die Menschen nachhaltig entlastet. Doch das abrupte Ende der türkis-blauen Koalition wegen des Ibiza-Skandals bedeutete auch das Aus für die ehrgeizigen Pläne. Geblieben sind viele gute Vorsätze und einige wenige bereits in Gesetzesform gegossene Vorhaben, die aber nicht mehr vom Ministerrat beschlossen werden konnten.

Zumindest diese wollen ÖVP und FPÖ nun im Parlament umsetzen: Die Steuerreform, die die frühere Koalition für das kommende Jahr geplant hatte, soll nun in vollem Umfang realisiert werden. Das bedeutet eine Entlastung in Höhe von etwa einer Milliarde Euro.

Die vorliegenden Gesetzesentwürfe des damaligen Finanzministers, Hartwig Löger (ÖVP), etwa nur Neuregelung der Kfz-Versicherung, werden eins zu eins übernommen und als Initiativantrag am kommenden Dienstag oder Mittwoch im Nationalrat eingebracht. Der wirklich große Brocken, die Entlastung der Geringverdiener durch eine Kürzung der Sozialversicherungsbeiträge, kommt in leicht abgewandelter Form ebenfalls in dieser Woche.

„Es hätte mir schon das Herz geschmerzt, wenn daraus nichts mehr geworden wäre“, meint FPÖ-Abgeordneter Hubert Fuchs, der als Finanzstaatssekretär die Reform monatelang verhandelt hatte, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ zur gestern, Samstag, erzielten Einigung. „Es ist wichtig, dass die Arbeit nicht umsonst war.“ ÖVP-Klubobmann August Wöginger betont, dass „wir stolz darauf sein können, was wir hier im Nationalrat geschafft haben. Wir setzen das um, was wir den Menschen als Regierung versprochen haben.“


Staffelung bei Entlastung. Was wird nun konkret umgesetzt? Das Wichtigste ist die Entlastung von kleineren und mittleren Einkommen im Umfang von etwa 700 Millionen Euro. Betroffene zahlen ab 2020 weniger für die Sozialversicherung (viele von ihnen bezahlen wegen ihres geringen Gehalts keine Lohnsteuer, sie hätten also von der ebenfalls geplanten Senkung der Steuertarifstufen nicht profitiert). Die Entlastung gilt für Arbeitnehmer, Pensionisten, Selbstständige sowie für Land- und Forstwirte.

Einige Beispiele: Wer ein offizielles Einkommen von 1000 Euro brutto pro Monat hat, wird als Arbeitnehmer um 300 Euro pro Jahr entlastet. Einem Pensionisten mit einer ähnlich hohen Pension bleiben ab kommendem Jahr 190 Euro mehr. Die Entlastung wird geringer, je höher das Einkommen ist. Ab 1600 Euro brutto pro Monat sind es noch 260 Euro (Arbeitnehmer) bzw. 170 Euro (Pensionist) im Jahr, bei 2100 Euro sind es 43 Euro für den Arbeitnehmer und 27 Euro für den Pensionisten. Die Entlastung für Landwirte und Selbstständige findet im gleichen Umfang statt.

Geplant hatte die Regierung die Entlastung durch eine Anpassung der monatlichen Sozialversicherungsbeiträge. Das ist eine komplexe Materie. Als die Koalition in Brüche ging, hatten die Experten des Sozialministeriums unter Leitung der damaligen Ministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), noch keinen Gesetzesentwurf ausgearbeitet.

Die Juristen der Klubs von ÖVP und FPÖ konnten also auf keine Vorlage zurückgreifen und die aktuelle Regierung wollte nicht aktiv in die Steuergestaltung eingreifen. Weil die Legistik derart schwierig ist, haben die Parlamentsklubs einen anderen Weg gewählt: Arbeitnehmer und Pensionisten bekommen das Geld nun im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung am Ende des Jahres rückerstattet. Das sei auch für die Lohnverrechnung der Unternehmen einfacher zu handhaben, erklärt Fuchs, der bis zu seiner Berufung in die Regierung Steuerberater war.

Ein weiterer, für Autofahrer und Neuwagenkäufer wichtiger Teil ist die Neuregelung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) und der Kfz-Steuer. Die NoVA wäre aufgrund der Neuberechnung der Abgaswerte im kommenden Jahr massiv gestiegen. Autofahrerklubs warnten bereits vor einer Mehrbelastung in Höhe von 570 Millionen Euro.

ÖVP und FPÖ greifen nun die Lösung auf, die das Finanzministerium ausgearbeitet hat und die auch einen stärkeren ökologischen Aspekt bringen soll. Grob erklärt: Der NoVA-Satz für Autos mit hohem Verbrauch steigt (weiter), für umweltfreundliche, emissionsärmere Fahrzeuge ist weniger NoVA fällig.

Das gilt auch für die Kfz-Steuer: Wer ein Auto mit weniger CO2-Ausstoß fährt, bezahlt künftig weniger Steuern. Für große, schwere SUV ist dagegen eine höhere Kfz-Steuer fällig. Die Änderung gilt nicht für bereits angemeldete Fahrzeuge, sondern betrifft nur Neuzulassungen ab 2020. Die Änderungen sind aufkommensneutral.


Günstigere E-Räder. Kleinere Änderungen betreffen den Vorsteuerabzug für Elektrofahrräder, die Firmen für ihre Mitarbeiter anschaffen, oder auch die Abschaffung der Eigenstromsteuer bei Fotovoltaikanlagen. Für nachhaltig produziertes Biogas und Wasserstoff werden künftig keine Steuern mehr fällig. Für elektronische Zeitungen und Bücher wird der Steuersatz auf zehn Prozent gesenkt. Auch Kleinunternehmer können sich über die Initiative der Klubs freuen, die Grenze für die Umsatzsteuerpflicht wird auf 35.000 Euro erhöht, zudem gibt es Erleichterungen bei den Pauschalierungen.

Ob diese erfolgreiche Zusammenarbeit der Klubs ein Zeichen für eine mögliche Neuauflage der alten Koalition ist? Wöginger: „Nein, wir haben einfach umgesetzt, was wir ohnehin ab 2020 machen wollten.“ Hubert Fuchs gesteht, dass es in den Klubs schon noch andere Begehrlichkeiten gegeben hätte. „Wir haben aber keine Zusatzwünsche berücksichtigt – sonst wären wir nie fertig geworden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2019)

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