Offensive ist die beste Defensive!

(c) Peter Kufner
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Künstliche Intelligenz und Automatisierung werden Wirtschaft und Arbeitsmarkt radikal verändern: ein offensiver Zugang zu Unternehmertum und Kapitalmarkt als Anregung für eine neue Regierung.

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Metaphern aus der Fußballwelt haben im beginnenden Wahlkampf gerade Hochkonjunktur. Und so ist auch dem Verfasser dieses Gastkommentars bei der Suche nach einem griffigen Titel ein alter Trainerspruch wieder eingefallen, dessen Urversion wahrscheinlich auf den Militärstrategen Carl von Clausewitz zurückgeht. Tatsächlich ist der Spruch alt, aber gut, denn er macht deutlich, dass ein Match durch „Einigeln“ vor dem Tor nur schwer zu gewinnen ist.

Algorithmus versus Mensch

Ein „Match“ mit globaler Dimension findet gerade statt, und seine Spieler heißen Big Data, Algorithmus oder Automatisierung. Auf dem Spiel steht die Zukunft unserer Arbeitswelt und damit unserer Gesellschaft. Die Kommentatoren schwanken noch zwischen freudiger Erwartung einer schönen neuen Arbeitswelt und Schreckensszenarien mit Millionen überflüssigen Arbeitskräften – menschlichen, wohlgemerkt.

Autoren wie der israelische Historiker Yuval Harari oder der österreichische Jurist Viktor Mayer-Schönberger haben schlüssig gezeigt, dass die datengestützte Automatisierung nicht nur simple manuelle Tätigkeiten ersetzen kann, sondern auch qualifizierte Berufe wie Arzt oder Anwalt. Die Gretchenfrage ist nun, ob rund um die neuen Technologien auch entsprechend viele neue Arbeitsplätze entstehen werden.

Hier herrscht bei vielen Skepsis, und so wird als eine mögliche Lösung das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ins Spiel gebracht. Die Argumentation ihrer Befürworter lautet kurz gefasst: Jeder Bürger erhält einen festen monatlichen Betrag zur Deckung der Grundbedürfnisse und müsse sich so bei Arbeitsplatzverlust zumindest keine existenziellen Sorgen machen. Die durch Automatisierung erzielten massiven Produktivitätsgewinne könnten so gerecht auf breite Bevölkerungsgruppen aufgeteilt werden.

Potenzial der Automatisierung

Es geht an dieser Stelle aber nicht um Pro und Kontra zur Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen. Vielmehr geht es im Sinne des Titels um eine offensive Anreicherung und Erweiterung der Debatte. Und vielleicht gibt es am Ende auch mehr Überschneidungen, als wir glauben.

Das Grunddilemma des klassischen bedingungslosen Grundeinkommens sind seine defensive Natur und der Bezug auf Rollenbilder, die aus dem 19. Jahrhundert stammen: hier der einzelne Arbeitnehmer, dort der Unternehmer und das Kapital. Doch wenn man die datengestützte Automatisierung analysiert, dann zeigen sich zwei große Potenziale: Noch nie waren die üblichen Eintrittsbarrieren zum Unternehmertum wie Kapitaleinsatz und Know-how so gering; und noch nie waren die Chancen auf Produktivitätsgewinne so hoch. Die Frage ist nur, was man daraus macht.

Unternehmertum ist Arbeit

Ziel muss es jedenfalls sein, das Produktivitäts- und damit Einkommenswachstum in die Breite zu bringen. Als Alternativansatz zum BGE möchte ich hier zwei Stoßrichtungen skizzieren. Und keine Sorge: In beiden Fällen kann und soll der Staat durch entsprechende Fördermaßnahmen eine wichtige Rolle spielen.

Folgt man der oben gemachten Analyse, dann lassen sich daraus große Chancen für mehr Selbstständigkeit und Unternehmertum ableiten. Die lebendige Start-up- und Gründer-Szene ist dafür Beweis genug. Dennoch bleibt noch viel Luft nach oben.

Im Rechtsbereich braucht es die Loslösung von der starren Trennung in Verbraucher und Unternehmer. Vor allem innerhalb des Unternehmensrechts muss es mehr Differenzierung zwischen Neugründungen und etablierten Unternehmen geben. Sogenannte Sandbox Regulation ist hier ein wichtiger Weg, um Geschäftsmodelle nicht schon im Keim zu ersticken, sondern erst ab einer gewissen Marktrelevanz der vollen Regulierung zu unterwerfen.

Und der Staat sollte neben den üblichen Jungunternehmerförderungen auch besondere Steuervorteile für die menschliche Arbeitskraft gewähren, damit neue Unternehmen einen Anreiz haben, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei denen Menschen den Mehrwert schaffen können. Es ist also besser, Teile eines möglichen BGE als Gründerförderung einzusetzen.

Eigentümer braucht das Land

Die zweite Stoßrichtung muss es sein, eine breite Aktionärskultur aufzubauen und so mehr Menschen die Beteiligung an den Effizienzgewinnen zu ermöglichen. Wir Österreicher erzielen laut internationalen Studien im Schnitt jährlich nur eine Rendite von unter einem Prozent, Länder wie Finnland liegen bei drei bis vier Prozent. Das ist auch wenig überraschend, zeigen doch aktuelle Zahlen, dass etwa in Finnland über 20 Prozent der Haushalte direkt in Aktien investiert sind, in Österreich gerade fünf Prozent. Selbst das etatistisch veranlagte Frankreich kommt hier auf über zehn Prozent.

Steuerliche Hürden beseitigen

Was ist zu tun? Wir brauchen mehr Finanz- und Wirtschaftsbildung bereits an den Schulen, damit die Menschen die Chancen und Risken von Aktienanlagen besser verstehen. Anderseits sollten steuerliche Hürden beseitigt werden, die Aktienanlagen und insbesondere langfristiges Investieren benachteiligen. So könnte bei Aktienanlagen eine Haltefrist von einem bis fünf Jahren eingeführt werden, nach der der Veräußerungsgewinn steuerfrei ist. Das wirkt im Übrigen auch der Spekulation entgegen.

Der berechtigte Einwand, dass gerade einkommensschwächere Gruppen wenig zum Ansparen haben, ist richtig, aber das Problem ist lösbar. Hier könnte der Staat für diese Menschen investieren, etwa durch einen Staatsfonds, der die Gewinne dann für Bildungsinvestitionen oder die Stabilisierung des Pensionssystems verwendet. Ein Beispiel für ein staatliches Modell im großen Stil ist der aus Öleinnahmen dotierte Norwegische Staatsfonds mit einem Volumen von 914 Milliarden Euro (Stand Ende März 2019).

In diesem Sinne sollte man nicht die Einkommen verstaatlichen, sondern kluge Anreize für mehr Unternehmertum und Miteigentum setzen. Wenn im Zuge der Automatisierung viele klassische menschliche Aufgaben wegfallen, dann braucht es einen umfassenderen Begriff der Arbeit. Dazu gehören dann eben auch die Nutzung von Technologie in einem eigenen Unternehmen oder die Beteiligung daran, die im Sinne eines echten Miteigentums auch immer aktives Mitwirken am Erfolg bedeutet. Die monetäre Förderung dieser Arbeitsformen ist vielleicht die klügere, jedenfalls aber offensivere Form eines Grundeinkommens.

Der Autor

Markus Fallenböck (* 1973) ist Gesellschafter des österreichischen Fintech Own Austria. Davor war er in verschiedenen Managementfunktionen in der Medienbranche tätig und hat in Graz und Yale Rechtswissenschaften studiert. Der Gastkommentar beruht auf einem Statement im Rahmen des Pfingstdialogs Geist & Gegenwart zum Generalthema „Das digitale Europa“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2019)

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