Mehr als eine Million Euro Spenden für Sea-Watch und Kapitänin

Der 31-jährigen Kapitänin Carola Rackete drohen in Italien bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Der 31-jährigen Kapitänin Carola Rackete drohen in Italien bis zu zehn Jahre Gefängnis. (c) REUTERS (GUGLIELMO MANGIAPANE)
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Carola Rackete drohen in Italien bis zu zehn Jahre Haft, da sie das Rettungsschiff „Sea Watch 3“ in den Hafen von Lampedusa steuerte. Deutschlands Präsident kritisiert das Vorgehen Roms.

Die Causa um die Festnahme der Kapitänin des deutschen Rettungsschiffes "Sea-Watch 3", Carola Rackete, geht in die nächste Runde: Am Montagnachmittag entscheidet ein Gericht in der sizilianischen Stadt Agrigent über die Aufrechterhaltung des über Rackete verhängten Hausarrests. Spenden an die Hilfsorganisationen sind unterdessen in die Höhe geschossen.

Rackete hatte sich in der Nacht auf Samstag über ein Verbot der italienischen Behörden hinweggesetzt und war mit dem Rettungsschiff "Sea-Watch 3" nach tagelanger Irrfahrt durchs Mittelmeer im Hafen von Lampedusa eingelaufen. Sie habe den Hafen angesteuert, weil sie befürchtete, Migranten an Bord könnten ins Meer springen, sagte die Deutsche. Nur knapp wurde ein Zusammenstoß des Rettungsschiffs mit einem Patrouillenboot im Hafen von Lampedusa vermieden.

Der 31-jährigen Rackete drohen in Italien bis zu zehn Jahre Gefängnis. Ihr werden Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Verletzung des Seerechts und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, weil sie sich Anweisungen von Militärschiffen widersetzt haben soll. Ihre Rechtsanwälte betonten vor der Vernehmung am Montag, ihre Mandantin sei bereit, alle Fragen zu beantworten.

Racketes Festnahme rief vor allem in Deutschland Empörung hervor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Heiko Maas kritisierte das Vorgehen der italienischen Behörden. "Aus unserer Sicht kann am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens nur die Freilassung von Carola Rackete stehen", erklärte Maas am Montag. "Das werde ich Italien nochmal deutlich machen."

Spenden für Gerichtskosten

Bei Spendenaktionen zugunsten der NGO Sea-Watch und der festgenommenen Rackete sind unterdessen laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) bereits mehr als eine Million Euro zusammengekommen: Über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bis Montagmittag mehr als 735.000 Euro zusammen, auf einer italienischen Facebook-Seite wurden mehr als 410.000 Euro gesammelt. Das Spendengeld sei zum Teil für die Gerichtskosten von Rackete, erklärte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Er fügte hinzu: "Wenn das Schiff beschlagnahmt bleibt, brauchen wir ein neues."

Rackete habe die italienischen Gesetze verletzt und gehöre hinter Gitter, sagte der italienische Innenminister Matteo Salvini am Montag. Er drohte den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit einer hohen Geldstrafe, der Konfiszierung der Schiffe und der Festnahme der Crew, sollten sie unerlaubt italienische Gewässer erreichen.

Laut Sea-Watch hatten sich vier Länder - Deutschland, Portugal, Frankreich und Luxemburg - bereit erklärt, die 40 Migranten von dem Schiff aufzunehmen. An Österreich sei kein entsprechendes Ansuchen gestellt worden, hieß es aus dem Innen- und Außenministerium. Auf die Frage, ob sich die Bundesregierung vorstellen könnte, in Zukunft mögliche, aus Seenot gerettete Personen aufzunehmen, gab es zunächst weder aus dem Innenministerium noch aus dem Büro des Regierungssprechers eine Antwort.

Kickl: Österreichs Position „viel zu lasch"

Das Büro von ÖVP-Chef Sebastian Kurz verwies auf dessen Aussagen zum Thema im Plus 4-Sommergespräch vergangene Woche. Dort hatte Kurz eine "klare Gesetzeslage" bei der privaten Seenotrettung konstatiert. Sein Ziel sei es, zu verhindern, dass Hilfsorganisationen mit Schleppern kooperieren, "weil das zu mehr Toten führt. Es kann jemand auch etwas gut meinen und richtet damit etwas Schlechtes an", sagte Kurz. "Die angebliche Seenotrettung habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass mehr Menschen ertrunken seien. Zwar sei die Rettung im Mittelmeer eine "Pflicht, aber man sollte Menschen nicht anlocken, damit sie sich in diese gefährliche Situation bringen."

Ähnlich reagierte der FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Weil den Menschen "falsche Hoffnung gemacht wird, setzen sie ihr Leben aufs Spiel", in dem sie die Überfahrt nach Europa antreten. Er forderte die "volle Härte des Gesetzes, klare Konsequenzen und eine Trendumkehr". Die momentane österreichische Position sei "viel zu lasch", sagte Kickl, der bis zur Ibiza-Affäre selbst noch das Amt des Innenministers inne hatte und damit für das Thema Migration und Asyl zuständig war.

Die Parteichefin von JETZT - Liste Pilz, Maria Stern, kritisierte die Festnahme Racketes als "nicht verhältnismäßig". Die Entscheidung der Kapitänin, die Geflüchteten an Land zu bringen, sei "nicht nur moralisch geboten" gewesen, "wenn Menschen offenbar kurz vor ihrem Suizid stehen, weil die Situation ausweglos ist, haben wir die verdammte Pflicht zu handeln", erklärte Stern in einer Aussendung. Sie kritisierte außerdem, dass sich Österreich bisher "nicht ausreichend für eine europäische Lösung der Fluchtproblematik eingesetzt hat". Die ÖVP-FPÖ-Regierung habe "viel gesagt und wenig getan".

(APA/dpa/AFP)

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