Mordillo: Die Knollennasen überleben ihn

Mordillo bei einer ihm gewidmeten Retrospektive im Karikaturenmuseum Krems 2015.
Mordillo bei einer ihm gewidmeten Retrospektive im Karikaturenmuseum Krems 2015. (c) imago images / SKATA (via www.imago-images.de)
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Cartoonzeichner Mordillo ist tot. Warum er Geschichten ohne Worte schuf, woher die dicken Nasen kamen, und warum sein Humor sich in alle Welt verbreiten konnte.

Ach, das sind Cartoonfiguren? Mordillos knollennasige Dickerchen sind weltberühmt als Merchandising-Produkte. Es gab Zeiten, da konnte man in kein Spielzeuggeschäft gehen, ohne Mordillo-Kalender, Mordillo-Stofftiere, Mordillo-Puzzles und Mordillo-Federpennale zu finden: Begleiterscheinung einer Cartoon-Karriere, die in den 1970er- und 80er-Jahren ihren Höhepunkt hatte. Der Argentinier Mordillo gehörte damals zu den beliebtesten Cartoon-Zeichnern der Welt. Nun ist er mit 86 Jahren auf Mallorca verstorben.

Viele künstlerische Entscheidungen verdanken sich banalen Zufällen – so auch die Wortlosigkeit von Mordillos Cartoons. Sie hat mit einstigen Sprachproblemen ihres Schöpfers zu tun. Guillermo Mordillo Menéndez, 1932 in Buenos Aires als Sohn spanischer Einwanderer geboren, floh als junger Mann vor der argentinischen Diktatur nach Lima, zog weiter nach New York und schließlich Anfang der Sechziger Jahre in ein Paradies für Comiczeichner – nach Paris. Hier blühte das Genre der „Bandes Dessinées“ als hoch geachtete Kunstform, produzierten Uderzo und Goscinny ihre ersten „Asterix“-Bände. Der Neuankömmling hatte nicht nur kaum Geld, er konnte auch nicht Französisch. Also schuf er kurzerhand Geschichten ohne Worte.

Inspiriert durch Disneys sieben Zwerge

Aus der Not entstand eine der größten Tugenden dieser aus dem Leben gegriffenen, in wenige Bilder gekleideten Geschichtchen – sie waren universell zugänglich. Ein zweites Markenzeichen, die charakteristischen Mordillo-Knollennasen, fast so dick wie der Rest des Körpers, verdankte sich einem Kinobesuch: Mordillo selbst erzählte, er habe in seiner Jugend den Disney-Klassiker „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ von 1937 gesehen, damals habe er beschlossen, Zeichner werden zu wollen. Die dicken Nasen der Zwerge hätten ihn dann beim Entwerfen seiner Figuren inspiriert.

Universell zugänglich ist auch der elementare, von politischen und kulturellen Zeitphänomenen unabhängige Mordillo-Humor, der sich nicht um real Mögliches oder Unmögliches schert – ja, Letzteres entschieden bevorzugt. Mordillo stellt seine Männchen und Weibchen, ob Mensch oder Tier (sehr gern Giraffen), vor skurrile Herausforderungen, häufig in der Luft, häufig am Abgrund. Dann lässt er sie pfiffige Lösungen finden, schenkt ihnen welche oder lässt sie in ihrer komischen Misere allein. Optimismus dominiert aber: Einem Männchen ist das Tageslicht zu hell, er betätigt den Lichtschalter, schon ist die Sonne weg, der Mond geht auf; so einfach kann die Welt sein, bei Mordillo. Viele überraschende Wendungen ergeben sich dabei aus den Bildern selbst. Da schweben etwa vom Ständchen eines Verliebten die Achtelnoten im Zweiergespann zur am Balkon schwebenden Dame hoch – und kommen zur Leiter verbunden wieder heruntergeschwebt. . .

Weltruhm mit „Das Piratenschiff“

Der Weltruhm für Mordillo rührt vom Anfang der 1970er-Jahre veröffentlichten Cartoon-Buch „Das Piratenschiff“. Davor hatte Mordillo für französische Magazine gearbeitet, auch die Zeitschrift „Stern“ hatte begonnen, seine Cartoons zu drucken. Zu kommerziell fanden viele Kritiker sie, Mordillo selbst dürfte dies wenig beeindruckt haben: Auch in seinem eigenen Kunstbegriff war ja für ihn kaum Platz. Wenn Cartoons im Louvre oder im Prado hingen, sei er bereit, von Kunst zu sprechen, sagte er einmal. Eher noch nannte er sich „Designer“.

1980 zog er auf die spanische Insel Mallorca. Dort erreichte ihn auch 2015 die Nachricht vom Anschlag auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo. In einem Interview mit der „Wiener Zeitung“ sagte er damals: „Wissen Sie, die Essenz von Humor war für mich lange Zeit Zärtlichkeit und Angst. Jetzt ist davon nur noch die Angst geblieben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2019)

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