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Jazzfest Wien: Boogie-Mann und Mamas Lied

Sarah McCoy wurde im Porgy & Bess umjubelt.
Sarah McCoy wurde im Porgy & Bess umjubelt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zwischen Drastik und Tragödie: Die begnadete Sängerin Sarah McCoy wurde im Porgy & Bess umjubelt.

Diese Frau hat viel erlebt entlang ihrer Route ins Herz des Showbusiness. Jahrelang tingelte sie durch Bars und Kaschemmen. Eine gute Weile war sie sogar obdachlos. Im prall gefüllten Porgy & Bess erzählte sie zwischen ihren Liedern davon, dass sie sich als spät etablierte Künstlerin zuweilen nach der Freiheit dieser Zeit sehnt.

Sarah McCoy ist eine der originellsten Figuren, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind. Schrill, exaltiert und, wenn es um die Musik geht, doch erstaunlich geerdet. Dass sie, die seit zwei Jahren in Paris lebt, ihr Tonträgerdebüt beim renommierten Label Blue Note veröffentlichen konnte, hat sie auch ihrem Produzenten Chilly Gonzales zu verdanken. Ihr selbst ist es relativ egal. Wichtig war ihr, dass ihre wehmütigen und doch so kraftvollen Lieder endlich veröffentlicht wurden.

Der zurückhaltenden Ästhetik des Albums steht live ihre expressive Art entgegen. Ein hochwillkommener Kontrast. McCoy ist viel Frau. Körperlich wie seelisch. Ihr unheimliches Liebeslied „Boogie Man“ erklärte sie so: „Der Boogie Man ist eine Art Kobold, vor dem sich Kinder fürchten. Dieses Gespenst verkörpere ich selbst, denn als Verliebte werde ich zu einer Art Monster.“ Sogleich griffen ihre Finger eine unwiderstehliche Moll-Melodie, ihre Stimme wurde augenblicklich leidenschaftlich. „I'd like to trap you, track you, bait you, I would find you and sedate you“, drohte sie süße Gefangenschaft im Namen der Liebe an. Und doch würde sie das von ihr für Zärtlichkeiten erkorene Geschöpf am Ende wieder freilassen: „I'll catch you and I release you, because I can.“

Der Busen auf dem Klavier

Trotz ihrer Leibesfülle bewegte sich McCoy während ihres Auftritts permanent, auch innerlich schien sie bewegt. Ihre oft krassen Lieder sind durch und durch autobiografisch. Von ihrer Ode an New Orleans bis zum erotischen Szenario von „Red Hot“ und dem obsessiv um persönliche Schuld kreisenden „Mamma's Song“: „Well, I don't like who I am, who I've been or who I'll be.“

Das Ende des regulären Sets war spektakulär. McCoy rückte näher ans Klavier, hob ihren voluminösen Busen und ließ ihn auf die Tastatur krachen. Der ausgelöste Klang hatte etwas Schwindelerregendes. Ein Busencluster, was für eine Überraschung! Die Zugabe verblasste dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2019)

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