Die neuen Abgeordneten könnten bei der Besetzung der EU-Spitzenämter vorlegen. Doch die Zusammensetzung der Parteien verstärkt die Blockaden, die im Rat herrschen.
Straßburg. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hätte das neu gewählte Europaparlament am Dienstag die Möglichkeit gehabt, eine Schlüsselfrage der Union zu beantworten: Wer soll neuer Präsident der EU-Kommission werden? Er oder sie benötigt schließlich die mehrheitliche Unterstützung der Abgeordneten. Wieso also machte sich die ansonsten so selbstbewusst auf seine demokratische Legitimation pochende Kammer die Entscheidungsunfähigkeit der Staats- und Regierungschefs in Brüssel nicht zunutze, um einen mehrheitsfähigen eigenen Vorschlag zu präsentieren?
„Wir finden ja, dass das Parlament die Initiative ergreifen sollte. Aber es scheint, dass die anderen Gruppen mehr Vertrauen darauf haben, dass es im Rat eine Übereinkunft gibt“, seufzte Ska Keller, Ko-Vorsitzende der Grünen. Die Königsmacher haben also Angst vor der eigenen Courage. So groß war die Sorge vor unangenehmen Fragen zu diesem Thema, dass die drei größten Fraktionen – die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten (S&D) sowie die Liberalen (die nun Renew Europe heißen) – ihre traditionellen Pressekonferenzen vor Beginn jeder der monatlichen Straßburger Plenarsitzungen ausließen.