Ferien starten mit Streikdrohung

Am Flughafen Wien rechnet man diesen Sommer mit weniger Flugausfällen – vorausgesetzt, es kommt zu keinem Streik.
Am Flughafen Wien rechnet man diesen Sommer mit weniger Flugausfällen – vorausgesetzt, es kommt zu keinem Streik.(c) Clemens Fabry
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Ein Generalstreik am Flughafen Wien zur Hauptsaison? Die Gewerkschaft erhöht mit der Drohkulisse den Druck in den KV-Verhandlungen – und weckt Erinnerungen an das Flugchaos 2018.

Wien. Generalstreik. Ein Wort, das niemand gern hört, der demnächst seinen Sommerurlaub antritt. Das weiß auch die Gewerkschaft Vida und stellte am gestrigen Mittwoch die Rute ins Fenster: Sollte die Wirtschaftskammer an der „Hungerlohnstrategie“ in den Kollektivvertragsverhandlungen für das Airline-Personal festhalten, könnte sie bald einen Generalstreik bei allen Fluglinien mit einer Basis in Wien provozieren.

In den kommenden Wochen soll es Krisengespräche mit den Betriebsräten der AUA und deren Low-Cost-Konkurrenten – namentlich Eurowings, Anisec (besser bekannt als Level) und Laudamotion – geben. Ab Anfang August könnten erste, koordinierte Maßnahmen folgen, sagt Vida-Luftfahrtchef Daniel Liebhart zur „Presse“. „Aber auch im Herbst ist noch Hauptreisezeit.“ Die Drohkulisse lässt sich also länger aufrechterhalten. „Aber ich hoffe natürlich stark, dass die WKO interessiert ist, mit uns einen fairen Wettbewerb zu schaffen.“ Die erste Meldung klang wenig verständnisvoll: Die Streikdrohung sei „absolut unverständlich“, ließ Christian Domany, Vorsitzender der Berufsgruppe Luftfahrt, wissen.

Harter Preiskampf

Hintergrund der strategisch zum Urlaubsstart platzierten Drohung ist ein Konflikt, der sich seit Monaten zwischen den Sozialpartnern hinzieht: Die Gewerkschaft wirft den Low-Cost-Linien, die nach der Pleite von Air Berlin und Niki 2017 und 2018 nach Wien geströmt sind, Lohn- und Sozialdumping vor. Der Preiskampf, den sie sich mit dem Platzhirsch AUA liefern, finde auf den Rücken der Beschäftigten statt, sagt Liebhart. Ein besonderer Dorn im Auge sind ihm zwei Mitbewerber: Bei der IAG-Billigtochter Level stecken die KV-Gespräche nach neun Runden fest, da die Airline ihren Flugbegleitern rund 1200 brutto zahlen und die Gewerkschaft 500 Euro mehr sehen will. Die ungarische Wizz Air wiederum verwehrt sich sowohl gegen einen Betriebsrat als auch gegen einen KV-Abschluss in Österreich, sie hat ihr Personal über Leasingfirmen in unterschiedlichen Ländern angestellt.

Wo die Wirtschaftskammer ins Spiel kommt? Die Vida wirft dem Verhandlungspartner vor, untätig zuzusehen – Stichwort „Hungerlohnstrategie“. Mit ihrer Forderung nach einem für alle Linien verbindlichen Branchenkollektivvertrag blitzte sie am Mittwoch aber erneut bei der Wirtschaftskammer ab. Deren Argument: Ein derartiger Abschluss würde sich nach dem höchsten Niveau richten und sei ein Schuss ins Knie für den österreichischen Standort, da die Fluglinien genauso gut im Nachbarland ihre Basis aufschlagen könnten und schleunigst abwandern würden. Die Drohung brachte dennoch Bewegung in die Kammer: Hinter den Kulissen sucht man das Gespräch mit der Gewerkschaft. Einen Streik will man genauso wenig wie einen Mindestlohn für die gesamte Branche. Man bemühe sich nach wie vor um Einzellösungen, bei Level könnten die Verhandlungen mit überarbeiteten Vorschlägen Mitte August weitergehen, erfuhr „Die Presse“. Bei der Billigairline bestätigte man das – und zeigte sich ob der Streikdrohung der Vida erstaunt: Man habe davon aus den Medien erfahren.

Flughafen: „Weniger Ausfälle“

Am Schauplatz des potenziellen Generalstreiks, am Flughafen Wien, wartet man ab. „Was es konkret für den Betrieb bedeuten würde, hängt von den Details der Maßnahmen ab“, sagt Flughafen-Sprecher Peter Kleemann. Klar sei: „Die Leidtragenden wären auf jeden Fall die Passagiere.“ Klar ist auch: Das Passagiervolumen, das abgefertigt werden muss, ist mit den neuen Anbietern rasant gewachsen – allein in den ersten fünf Monaten fertigte der Flughafen 11,7 Mio. Passagiere und damit ein Viertel mehr als im gleichen Zeitraum 2018 ab. Was das für den Sommer bedeutet? „Wir erwarten, dass es jedenfalls weniger Flugausfälle geben wird“, sagt Kleemann.

Voriges Jahr sorgten Streiks von Fluglotsen und Piloten, Wetterkapriolen und Fehlplanungen der Airlines dafür, dass allein im Juli ein Viertel der 1,08 Mio. Flüge am europäischen Himmel verspätet waren. An der Pünktlichkeit arbeiteten Flughafen, Flugsicherung und Linien zusammen, betont Kleemann. Dass die Zahl der Verspätungen so wie die der Ausfälle heuer abnimmt, will zu Sommerbeginn aber keiner garantieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2019)

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