Kampf dem Jahreszeitenbetrug

Kampf Jahreszeitenbetrug
Kampf Jahreszeitenbetrug(c) AP (Roberto Pfeil)
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Dieser Monat ist ein Kuss, den der Himmel gibt der Erde, dass sie jetz und eine Braut, künftig eine Mutter werde.

Überträgt man diese Worte des Barockdichters Friedrich von Logau zum Mai auf das heurige Jahr, manifestiert sich die Berührung der Lippen als ziemlich feucht. Nun lässt sich darüber diskutieren, ob Küsse nicht direkt proportional zur Flüssigkeitsabsonderung immer schöner werden. Doch spätestens in dem Moment, in dem der derart Geküsste eine Nacktschnecke an Mund und Zungenspitze wähnt, hört sich das erotische Knistern schon wieder auf. Und kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass man zur Erlangung des Glücks ein bisschen Schlatz aushalten muss! Hallo, das mit dem Frosch, der durch Abschmusen zum Prinzen wird, ist nur ein Märchen! „Ein Maitag ist ein kategorischer Imperativ der Freude“, schrieb Friedrich Hebbel. Als der heurige Mai noch zur Schule ging, dürfte er jedenfalls genau in jener Woche gefehlt haben, als die deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts auf dem Lehrplan stand – sonst hätte er sich dieses Zitat wohl zu Herzen genommen.

Vielleicht ist allerdings der Ansatz, die schwache Performance des Mai lediglich mit Unkenntnis deutscher Literatur zu begründen, ohnehin ein Holzweg. Möglicherweise greift eine andere Erklärung besser. Also gut, es handelt sich hier um einen groß angelegten Jahreszeitenbetrug. Rücksichtslose Wetterspekulanten haben den Kurs der Sonne derart nach unten gedrückt, dass der Wolkenindex ein All-Time-High hatte und die Regenblase platzen musste. Konsequenterweise müssen wir nun europaweit alle Solarien mit einer Sonnenbankenhilfe stützen, um die Stabilität wieder herzustellen. Klingt doch plausibel, oder? Wie ist eigentlich das Wetter in Griechenland?


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2010)

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