Der Lockruf des Geldes übertönt jedes verklärte Fan-Geheul

Marko Arnautović.
Marko Arnautović.(c) APA/EXPA/JOHANN GRODER (EXPA/JOHANN GRODER)
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Hauptsache, Marko Arnautović geht: Warum West Ham auf eine weitere Transfer-Posse keinen Wert mehr legt und die Ablöse drastisch senkte.

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, und Spieler erfüllen immer seltener die Laufzeiten ihrer Verträge. Bei West Ham United bekommt man dieser Tage aber den Eindruck, als könne eine Vertragsauflösung gar nicht schnell genug gehen. Im Mittelpunkt: Marko Arnautović.

Die Wege von Österreichs bestem Fußballer, 30, und West Ham dürften sich trotz eines erst im vergangenen Jänner bis 2023 verlängerten Arbeitspapiers trennen. Auslöser war das Angebot eines chinesischen Klubs, das von den „Hammers“ abgelehnt wurde. Der Wiener äußerte trotzdem – wie schon vor einem halben Jahr – einen Transferwunsch. Und sein als Berater auftretender Bruder attackierte West Ham wüst: „Marko ist keine Kuh und kein Pferd, das man zum Markt bringt.“ Das brachte bei Trainer Manuel Pellegrini das Fass zum Überlaufen. Selbst ein „schrecklicher Deal“ sei ihm jetzt willkommen.

Stellt man Gehälter von Politikern, Managern und Popstars nie infrage oder applaudiert dem Operndirektor für den Wechsel von Wien nach Mailand, sieht sich ein Fußballer wie Arnautović fortlaufend mit dem Vorwurf der Gier konfrontiert. Beobachter fragen, ob 100.000 Pfund pro Woche nicht genug sind. Kritiker bezweifeln, dass Chinas Fußballliga – ohne sie zu kennen respektive je eine Partie gesehen zu haben –, dem europäischen Niveau entspricht. Zudem, lande er nicht in Shanghai, sei er mit Sprache, Schrift und Kultur heillos überfordert. Patrioten fürchten, dass das ÖFB-Team die wichtigste Stütze verliert.

Dabei: Das Streben nach mehr Gehalt ist jedem bekannt und eigentlich nicht verwerflich. Vor allem dann, wenn man sich dem Karriereende nähert, der letzte große Zahltag die komplette Familie und weitere Generationen absichern würde. Dolmetscher gibt es allerorts, gute Schulen und Köche ebenso. Chinas Liga kann auch nicht viel schlechter sein als die in Australien – und von dort aus flog etwa Marc Janko zu jedem Länderspiel ein. Und dieser schoss Österreich mit seinen Toren zur EM 2016.

Würde man die verklärte Fußball-Romantik ausblenden, also das ganze Geheule um Klubtreue, Loyalität, enttäuschte Fanhoffnung oder Söldnertum negieren, wäre von Aufregung keine Spur mehr. Ist aber nicht gerade diese Emotion die schönste Begleitmusik im Fußball? Das Spiel mit gekränkten Emotionen, das Warten auf Neuverpflichtungen, die Hoffnung samt dem neugierigen Blick durch den Zaun am Trainingsplatz?

Im Fall von Arnautović ziehen sich Dramen und kabarettistische Einlagen wie ein roter Faden durch seine Karriere. Zumeist gesponnen von seinem Bruder, der Provokationen als sinnvolles Stilmittel erachtet. Oder dank plumper Aussagen des Stars („Ich kaufe dein Leben“) selbst. Fußballfans verzeihen ihren Helden auch fast jede Dummheit, im Torjubel werden sogar lustlose Auftritte sonder Zahl nachgesehen. Doch wird ein Transfer regelrecht „erzwungen“, wird aus Bewunderung rasch Ablehnung. Dann gibt es kein Zurück mehr.

West Ham wollte im Jänner noch 45 Millionen Euro Ablöse für den Wiener herausschlagen, sechs Monate später reichen bereits 25 Mio. Euro aus. Hauptsache, Arnautović geht. Und ein neuer Stürmer (Maxi Goméz) kommt. Damit das Spiel schnell weitergeht.

E-Mails an:markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2019)

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