Die Küste im toten Winkel des Mittelmeers

Gewitterstimmung über der Festung von Gjirokastra.
Gewitterstimmung über der Festung von Gjirokastra. (c) Harald Klauhs
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Nicht lang mehr wird die Südküste von Albanien als Geheimtipp gelten können. Durch Freundlichkeit, Sauberkeit und ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis wird diese Destination für immer mehr Urlauber attraktiv.

Ein knappe halbe Stunde braucht das Tragflächenboot von Korfu bis nach Saranda (Albanisch Sarandë) an der Südküste Albaniens. Es ist die schnellste und bequemste Möglichkeit, in diesen Badeort zu gelangen. Würde man nach Tirana fliegen, müsste man stundenlang auf Bergstraßen in den Süden kurven. Um eine Übernachtung auf Korfu zu vermeiden, wäre es fein, würden die Abfahrtszeiten der Fährboote in die Abendstunden hinein verlängert werden; aber sonst klappt die Anreise problemlos.

Trifft man als von adriatischen Seebädern verwöhnter Besucher in Saranda ein, ist man erst einmal erstaunt, wie aufgeräumt das Städtchen wirkt. Man hat das so nicht unbedingt erwartet. Es ist alles da: eine Strandpromenade mit Cafés, Bars, Restaurants, natürlich jede Menge Hotels, ein kleiner Jachthafen und glasklares Wasser. Letzteres hat vermutlich damit zu tun, dass die Küste hier im Gegensatz zu den Stränden an der oberen Adria nicht aus Sand, sondern aus Kies besteht. Auf das Sandburgenbauen muss man also verzichten, dafür lädt die Transparenz des Meeres zum Tauchen ein.

Abwehr böser Geister

Eine Altstadt, wie etwa in Grado, gibt es hier aber nicht. Saranda ist zwar schon lang ein beliebtes Seebad, aufgrund von Kriegen und Bränden ist aber weder von der antiken noch von der mittelalterlichen Ansiedlung viel übrig geblieben. Es herrscht eine fröhliche Zuckerbäckerarchitektur vor, mit geschwungenen Balkonen, oft begrenzt von bauchigen Gipssäulen. Daran hängen des Öfteren auch von der Witterung mitgenommene Stofftiere wie Hasen oder Bären. Sie sollen der Abwehr von bösen Geistern dienen. Eine Art postsozialistischer Knoblauch. Im einst atheistischen Staat Albanien unter Enver Hoxha (1908–1985) waren Religionen verboten. Heute lebt die muslimische Mehrheit mit den christlichen Minderheiten der Orthodoxen und Katholiken wieder friedlich zusammen. Gar nicht selten sind interkonfessionelle Ehen.

Will man eine „Altstadt“ besichtigen, muss man ins nahe gelegene Butrint fahren. Die Lagunenstadt am südlichsten Zipfel Albaniens hat viele Völker kommen und gehen gesehen. Ursprünglich war das heutige Unesco-Weltkulturerbe eine Siedlung der Illyrer. Ihre Lage im Mündungsdelta der Flüsse Bistrica und Pavllas ist einzigartig. Im Lauf der Zeit wuchs Butrint zur größten befestigten Stadt der Region. Griechen, Römer, Byzantiner, Venezianer und Osmanen hinterließen ihre Spuren auf der Halbinsel. Das ist auch das Besondere an den archäologischen Ausgrabungen: Man kann hier, wie sonst kaum wo, die verschiedenen Epochen und Baustile studieren, griechische Säulen neben römischen Mosaiken, eine christliche Kathedrale neben einem antiken Amphitheater. Aus der kommunistischen Ära kann man die Sünden von sorglosen Eingriffen in die Natur ablesen. Damals wollte man die Sümpfe trockenlegen, indem man einen der beiden Flüsse umleitete und damit den natürlichen Zufluss des Butrint-Sees unterbrach.

Lagunenstadt versinkt im Meer

Die ursprüngliche Flussmündung wurde zu einem Kanal ins Ionische Meer erweitert. Die Folge davon: Der See verwandelte sich in eine Brackwasserlagune, zu der später wieder ein Zufluss geschaffen werden musste. Heute teilt Butrint das Schicksal Venedigs: Sie versinken allmählich im Meer.

Das zweite Weltkulturerbe, das von Saranda mit Taxi oder Bus gut erreichbar ist, ist Gjiorkastra. Auf dem Weg zu dem in einem Hochtal gelegenen Städtchen mit einer Festung sieht man einige der legendären Bunker, mit denen der um seine Macht bangende Enver Hoxha das Land übersät hat. Damals waren sie nur für Soldaten als Schutzräume vorgesehen; heute können sich darin auch die davor grasenden Schafe vor einem Gewitter schützen. Zu mehr taugen die Kuppelbauten kaum mehr.

Um nach Gjiorkastra zu kommen, muss man über einen Pass fahren, was wegen der Aussicht lohnend ist. Einst war die Stadt der tausend Stufen ein Handelszentrum und dementsprechend wohlhabend. Davon zeugen jetzt noch die der Stadt ihren Charakter gebenden grauen Steindächer. War eine Seite abgenutzt, drehte man die Steine einfach um. Besichtigen kann man etwa das Haus eines Imams. Mit der Prachtentfaltung eines Fürsterzbischofs lässt sich die Einrichtung kaum vergleichen, aber für balkanische Verhältnisse galt der geistliche Würdenträger als wohlhabend.

Berühmt ist Gjiorkastra nicht nur wegen seiner uralten Festung Kalaja, die auf die Illyrer zurückgeht und auf der im Sommer Sängergruppen gegeneinander antreten, sondern auch als Geburtsort des bekanntesten albanischen Romanciers, Ismail Kadare, der seit Langem in Paris lebt. Die dort ausgestellte Kriegsgerätschaft würde den Aufstieg über die zahlreichen Stufen nicht unbedingt lohnen, die Aussicht hingegen schon. Derzeit wird der Ort zu einem touristischen Schmuckkästchen renoviert. Dazu gehören die Erneuerung des Pflasters und die Erweiterung des kulinarischen Angebots.

Essen kann man in Albanien nämlich erstaunlich gut und günstig. Das ist vermutlich ein Grund, warum einige große Reiseanbieter das Land ins Programm genommen haben. Ein weiterer mag sein, dass dieser Teil des Westbalkans noch nicht touristisch ausgeweidet ist. Hier freuen sich die Bewohner noch auf Gäste und die Hotel- und Restaurantangestellten sind nicht aufgesetzt freundlich.

Naturschauspiel „Blaues Auge“

So gibt es zum Beispiel noch keinen zubetonierten Parkplatz vor dem Naturschauspiel des „Blauen Auges“, einer in vielen Farben funkelnden Karstquelle am Westabhang des Gebirges Mali i Gjerë. Die sechs Meter tiefe, wasserreichste Quelle des Landes ist vor allem im Sommer einen Ausflug wert, da man sich in dem durch sie gebildeten Stausee kurz abkühlen kann. Lang wird man nicht darin verweilen wollen, da das Wasser selten mehr als zehn Grad erreicht.

Um ausschließlich einen Badeurlaub zu machen, bietet die Destination Saranda dem verwöhnten westlichen Gast vermutlich nicht genug Strandfeeling. Doch für einen gemischten Urlaub mit Tauchgängen oder mit Gängen bestehend aus Meeresfrüchten oder solchen in die Geschichte und durch die Natur ist Südalbanien heute schon mehr als eine Option.

RUND UM SÜDALBANIEN

Flüge. Fliegt man von Wien am Freitag oder am Samstag nach Korfu, muss man eine Nacht dort bleiben. Am Dienstag oder Donnerstag kann man ohne Übernachtung nach Saranda reisen.

Übernachtung: In Saranda gibt es jede Menge Hotels wie das Jaroal, ein nettes kleines Hotel (jaroalhotel.com) via Billa-Reisen, www.billareisen.at

Essen: Traditionelle albanische Küche gibt es etwa im Küstenort Ksamil.

Compliance: Die Reise wurde von Billa-Reisen unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2019)

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