Van der Bellen erzählt von Ibiza

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HINTERGRUNDGESPRAeCH BP VAN DER BELLEN ++ SPERRFRIST 17:00 UHR BEACHTEN! ++APA/ROLAND SCHLAGER
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Von der Regierungskrise bis zum EU-Kommissar: Ein sichtlich zufriedener Bundespräsident versammelt Journalisten um sich und gibt Einblicke in seine Gedanken.

Wien. Ibiza. Er sei sich ja noch immer nicht sicher, wie man das richtig ausspreche, sagt der Bundespräsident. Also mit z, mit s oder gelispelt wie das englische th. Auch die Frage an die Runde bringt keine erhellende Antwort.

Alexander Van der Bellen hat an diesem Dienstagmittag Journalisten in der Hofburg um sich versammelt, um die Geschehnisse der vergangenen Wochen noch einmal Revue passieren zu lassen. „Wir haben hier Neuland betreten“, sagt Alexander Van der Bellen.

Zu Beginn wird ein Image-Video vorgespielt. Szenen aus vorzugsweise deutschen Sendern, die die Dramatik der türkis-blauen Regierungskrise zeigen, dann die Auftritte des Bundespräsidenten und Stimmen aus der Bevölkerung, die erklären, wie toll er das hingekriegt habe.

„Ein bisschen stolz bin ich schon, wie wir das hingekriegt haben“, sagt Van der Bellen selbst später. „Ein Bundespräsident hat ja auch noch anderes zu tun.“ Van der Bellen erzählt, wie das alles war, in den Stunden und Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Lange habe man nicht gewusst, was die Parteien im Parlament in Bezug auf den Misstrauensantrag vorhätten. Zuerst habe es so ausgesehen, als würde nur der Kanzler gestürzt. Man habe aber versucht, „einigermaßen“ vorbereitet zu sein, sollte es doch die gesamte Regierung treffen.

Die Parteien hätten sich danach auf keinen Übergangskanzler einigen können. Also habe er, Van der Bellen, das Heft in die Hand genommen und von sich aus Brigitte Bierlein vorgeschlagen. Die oberste Prämisse war, dass es jemand sein sollte, der umfassendes Wissen über die Verfassung habe. Und wer, wenn nicht die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, habe solches.

Straches Worte nicht vergessen

Jeder Schritt, den er gesetzt habe, sei im Einklang mit der Verfassung gesetzt worden. Und ihm sei auch wichtig gewesen, die Bevölkerung über jeden seiner Schritte zu informieren. „So ist es uns gelungen, eine aufgeheizte Situation so weit abzukühlen, wie es in einer Vorwahlphase möglich ist.“ Zugleich betont Van der Bellen, dass man die Ursache nicht vergessen sollte: die Aussagen Heinz-Christian Straches.

Von sich aus spricht Alexander Van der Bellen dann die Frage der Bestellung des künftigen österreichischen EU-Kommissars an. Diese sollte eher heute als morgen vonstatten gehen. Er selbst sei zwar nicht direkt involviert, da der Kommissar von der Regierung vorgeschlagen und vom Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden müsse, wenn er helfen könne, helfe er aber gern, einen Kompromiss zu finden. Denn für Österreich sei es essenziell, dass recht rasch eine Entscheidung falle, denn sonst seien nämlich die besseren Dossiers weg.

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Ein großer Anhänger des freien Spiels der Kräfte ist Van der Bellen nicht. Da sei er ein „gebranntes Kind“ jener Nationalratssitzung kurz vor der Nationalratswahl 2008, als diverse kostspielige Gesetze beschlossen wurden. Und er kenne eigentlich niemanden, der das danach nicht bereut hätte.

Zu expliziter Kritik an der neuen Regelung zur Parteienfinanzierung – die die auf Ibiza thematisierten Schlupflöcher offen lässt – lässt sich Van der Bellen nicht hinreißen: Man könne jedenfalls darüber streiten, ob das der Weisheit letzter Schluss sei. Zur Kritik am Rechnungshof, vorgetragen von SPÖ und FPÖ, meinte er allerdings: „Ich würde alle Fraktionen bitten, nichts zu sagen, was das Vertrauen in die Institutionen untergraben könnte.“

„Let's wait and see“

In Bezug auf künftige Regierungskonstellationen gibt sich Van der Bellen betont zurückhaltend: „Let's wait and see.“ Er sei aufgeschlossen gegenüber allem. Er sage auch nicht Nein zu einer Minderheitsregierung, sehe aber schon deren Problemstellungen. Ob er selbst noch einmal antreten wolle, lässt er ebenfalls offen.

Grundsätzlich befindet der Bundespräsident über die Entwicklung seiner Amtsführung: Er habe seine Überzeugungen zwar nicht über Bord geworfen, habe aber in die Rolle eines „neutralen Bundespräsidenten“ hineingefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2019)

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