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Bohrn Mena: „Pilz ist jedenfalls kein guter Parteichef“

Sebastian Bohrn Mena trat aus der Partei Liste Pilz aus, bleibt aber im Parlamentsklub.
Sebastian Bohrn Mena trat aus der Partei Liste Pilz aus, bleibt aber im Parlamentsklub.Akos Burg
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Sebastian Bohrn Mena kandidierte für die Liste Pilz und tritt nun mit scharfer Kritik an Peter Pilz aus der Partei aus. Das politische Projekt sei gescheitert, sagt er. Im Klub will er seine Arbeit fortführen.

Sebastian Bohrn Mena kandidierte für die Liste Pilz, bekam die elftmeisten Vorzugsstimmen Österreichs – und ist nun Bereichssprecher für Tierschutz und Kinderrechte im Klub. Aus der Partei tritt er nun aus – die Begeisterung für die politische Bewegung ist bei ihm in den letzten Monaten verflogen, im Klub will er aber weiterarbeiten. Der „Abgeordnete ohne Mandat“ im Interview über autoritäre Parteistrukturen, intransparente Parteifinanzen und warum das politische Projekt für ihn gescheitert ist.

Die Presse: Warum sind Sie ausgetreten?

Sebastian Bohrn Mena: Als ich vor fünf Wochen in die Partei eingetreten bin, wollte ich mir einen Überblick verschaffen. Wofür bisher Geld ausgegeben wurde, wer hier arbeitet, welche Beschlüsse gefasst wurden. Das alles sollte aus Sitzungsprotokollen hervorgehen, die ich angefordert habe und auf die ich laut Statut ein Recht habe. Alle meine Anfragen wurden ignoriert – es blieb mir nichts anderes übrig als auszutreten. Ich kann nicht für Vorgänge haften, die ich nicht kenne.

Sie haben von „schockierenden Ereignissen“ gesprochen. Was meinen Sie damit?

Ich halte es demokratiepolitisch für einen Skandal, wenn über die Medien ausgerichtet wird, wen man zur Parteichefin zu wählen hat, weil es hier offenbar Absprachen zwischen Peter Pilz und Maria Stern hinsichtlich Mandat und Parteivorsitz gibt. Auch die Art und Weise, wie man mit Menschen da drinnen umgeht ist völlig daneben.

Bei der Liste Pilz sind Klub und Partei getrennt. Die Partei hat weniger als zehn Mitglieder. Sie sind der Fünfte, der austritt. Was ist da los?

Manche von denen haben öffentlich gesagt, warum sie das verlassen haben. Peter Kolba etwa hat gesagt, dass er nicht in Verantwortung gezogen werden will, was dort passiert. Andere wie Daniela Holzinger haben das anders begründet. Martha Bißmann wurde offensichtlich gedrängt. Und Bruno Rossmann hat zumindest mir gegenüber gesagt, dass er froh ist, die Partei zu verlassen. Also scheinbar ist der Exodus von Parteimitgliedern einer Fehlentwicklung geschuldet.

Ist Ihre Partei undemokratisch?

Es ist eine autoritäre, fast demokratiefeindliche Umgangsweise mit Parteimitgliedern, wenn es keine Information und keine Form der Mitbestimmung gibt. Oder wenn Statuten so geändert werden, dass zwei Personen über 1,5 Millionen Euro verfügen können.

Sie haben eine Offenlegung der Finanzen gefordert – es gibt nun eine Auflistung auf der Homepage. Transparenz genug?

Nein! Ich bin Betriebswirt, die Darstellung von Zahlen ist mir geläufig, diese aber nicht. Es riecht förmlich nach Verschleierung, etwa bei den Personalkosten. Ich würde gerne wissen: Was sind diese aufgelisteten Förderungen? Die Beratungsaufträge? Mein Letztstand ist auch, dass es keinen Rechnungsprüfer gibt, wie vorgeschrieben. Das ist alles ominös – Peter Pilz würde bei anderen einen Partei-U-Ausschuss verlangen.

Peter Pilz hat einmal von sich selbst gesagt, dass er ein schlechter Chef sei. Hat er recht?

Pilz ist jedenfalls kein guter Parteichef.

Fänden Sie es besser, wenn Pilz nicht in den Nationalrat zurückgekommen wäre?

Wir sind zusammen angetreten, in der Annahme, dass wir gemeinsame Ideale haben – und dass die Personen, moralisch einwandfrei sind. Niemand von uns, die nicht aus dem Bekanntenkreis von Peter Pilz kamen, wussten, dass es Vorwürfe gegen ihn gab. Ich weiß nicht, ob sich manche entschieden hätten, nicht mit Peter Pilz zu kandidieren, wenn sie davon gehört hätten. Ich hätte es nicht gemacht.

Sind die Vorwürfe für Sie ausgeräumt?

Ich habe den Medien entnommen, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat. Insofern sind die strafrechtlichen Vorwürfe ausgeräumt. Die moralische Diskussion haben wir noch nicht einmal begonnen. Eigentlich hatte Pilz im Herbst dafür den Grundstein gelegt – ich hätte mir gewünscht, dass er sie mit offenem Visier führt. Er hat sie aber in dem Moment beendet, in dem er alles zu einer politischen Intrige erklärt hat. Er hat sich von seinem eigenen Eingeständnis des Fehlverhaltens distanziert. Das halte ich für hochproblematisch – auch angesichts dessen, dass etwa eine Nicola Werdenigg für uns kandidiert hat.

Aus der Partei wollen Sie also raus, aber im Klub weiter als „Abgeordneter ohne Mandat“ bleiben“?

Ich hatte die elftmeisten Vorzugsstimmen aller Kandidaten aller Parteien. Es war abgemacht, dass ich eingebunden werde, wenn sich ein Einzug nicht ausgeht. Ich finde die parlamentarische Zusammenarbeit funktioniert vor allem mit den Frauen im Klub sehr gut – auf der inhaltlichen wie auf der persönlichen Ebene. Ich sehe keinen Grund, warum das davon beeinträchtigt sein sollte, was ich in meiner Freizeit als Mitglied einer Partei mache.

Auch wenn Klub und Partei getrennt sind – als Martha Bissmann rebellierte, wurde sie mit Rauswurf bedroht. Sie auch?

In meinem Austrittsmail habe ich daraufhingewiesen, dass wir die Ebenen sauber trennen sollten – also dass meine Kritik an der Partei in keinster Weise etwas mit dem Klub zu tun hat. Manche treffen die Unterscheidung nicht: die langjährige Freundin von Peter Pilz und Akademiechefin hat etwa meine parlamentarische Arbeit als Müll bezeichnet und das an den Klub geschickt.

Was müsste sich in der Liste Pilz ändern, damit Sie bleiben wollen würden?

Mit meinem Ausstieg ist das politische Projekt für mich beendet, ja gescheitert. Ich hab auch keine Hoffnung, dass es in dieser Konstellation mit diesen Menschen auf diese Art und Weise noch was werden kann.

Sie waren vorher bei der SPÖ, bereuen Sie den Wechsel schon?

Nein. Der rot-blaue Flügel war bei der SPÖ immer stärker geworden – irgendwann war für mich die Grenze als Nachkomme von Flüchtlingen erreicht. Darum wollte ich auf einer unabhängigen Bürgerliste mit fantastischen Menschen wie Alma Zadic oder Daniela Holzinger etwas links neben der SPÖ starten.

Sind Sie mit der inhaltliche Ausrichtung der Liste Pilz einverstanden?

Die einzelnen Parlamentarier machen gute Arbeit – aber es fehlt die übergeordnete Parteipolitische Vision. Peter Pilz hat die vergangenen Monate behauptet, diese zu entwickeln.

Warum sagt die Liste seit Monaten, dass „jetzt dann die Opposition kommt“, wo sie doch schon seit Monaten die Opposition ist?

Die parlamentarische Arbeit funktioniert gut – aber Opposition ist mehr. Es braucht die Menschen auf der Straße. Um eine Organisation aufzubauen gäbe es rund 2,6 Millionen Euro. Es gibt aber noch immer keine Beteiligungsmöglichkeiten für die Menschen.

Ist die Liste Pilz in der nächsten Legislaturperiode noch im Nationalrat?

Es ist traurig, aber ich glaube nicht, dass eine derart agierende Partei mit diesen Menschen bei Wahlen noch einmal reüssieren kann.


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