Wenn Politik das Geld kontrolliert, ist es bald nichts mehr wert

Seit Monaten fordert Präsident Donald Trump eine Zinssenkung.
Seit Monaten fordert Präsident Donald Trump eine Zinssenkung. (c) APA/AFP/MANDEL NGAN
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Die Unabhängigkeit der Notenbanken galt lang als Garant für Wohlstand und Stabilität. Doch nun ist sie in Gefahr – dank Trump, Erdoğan und Co.

Die Inflation in Venezuela lag im vorigen Jahr bei 130.000 Prozent. Das ist eine Zahl, die man sich bei uns gar nicht mehr vorstellen kann. Eine Venezolanerin hat die Geldentwertung so beschrieben: „Mit meinem Gehalt kann ich mir am Ende des Monats zwei Flaschen Limonade kaufen, wenn es dann noch Limonade im Supermarkt gibt.“ Venezuela sollte mahnendes Beispiel genug sein: Das passiert, wenn Politiker die Notenbank für ihren Machterhalt missbrauchen.

Venezuela ist ein wirtschaftspolitischer Jurassic Park und hat – so scheint es – nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. In der realen Welt streckt die Politik aber auch und vor allem immer dreister die Fühler nach den Notenbanken aus. In der Türkei ist von Fühler-Ausstrecken keine Rede mehr. Dort hat Präsident Erdoğan den Notenbank-Chef aus dem Amt gejagt. Nicht im Alleingang. Gemeinsam mit dem Finanzminister, der zufällig sein Schwiegersohn ist. Mittlerweile hält die Türkei bei einer Inflationsrate von 20 Prozent. Sollte Erdoğan seine kruden Ideen verwirklichen und allen ökonomischen Grundregeln zum Trotz die Zinsen senken, wird man sich noch mit Wehmut an nur 20 Prozent zurückerinnern.

In den kommenden zwei Tagen soll nun also der amerikanische Notenbank-Chef Jerome Powell vom Kongress gegrillt werden. Seit Monaten fordert Präsident Donald Trump eine Zinssenkung. Und vermutlich wird er diese Ende Juli bei der nächsten Sitzung der Notenbank auch tatsächlich bekommen. Wir erleben hier eine geldpolitische Zeitenwende. Und bei Trumps Griff nach der Notenpresse geht es nicht um einen venezolanischen Bolivar oder um die Türkische Lira, es geht um den amerikanischen Dollar, die wichtigste Währung der Welt.

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang galt die Unabhängigkeit der Notenbanken als Garant für Wohlstand und Stabilität. Sämtliche Studien kommen seither zum gleichen Ergebnis: Staaten mit autonomen Zentralbanken haben niedrigere Inflationsraten und ein stabileres Wirtschaftswachstum. Als Vorbild gilt die Deutsche Bundesbank, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Rückgrat das Wirtschaftswunders dargestellt hat. Der Grundsatz lautete: Notenbanker, die natürlich auch politisch besetzt werden, müssen keine Wahlen gewinnen, sie müssen in erster Linie das Vertrauen der Menschen in die Währung erhalten.

Aber was geschah denn während der Eurokrise? Wurde da nicht auch die Druckerpresse so lang bedient, bis der Euro tatsächlich ins Wanken geriet? Wir sind in Europa in Wahrheit um nichts besser als Donald Trump. Wir sind nur etwas zivilisierter in der Unterwanderung von zivilisatorischen Fortschritten wie eben einer unabhängigen Zentralbank. Trump krakeelte via Twitter: „Sie haben keine Ahnung“, als die Federal Reserve vor wenigen Wochen die Zinsen nicht senkte. Bei uns wird die frühere französische Finanzministerin Christine Lagarde nonchalant zur EZB-Präsidentin gemacht und der frühere spanische Finanzminister Luis de Guindos obendrein als Vize verlängert.

Im Gegensatz zur Türkei werden in Europa und in den USA politisch besetzte Zentralbank-Chefs aber nicht nach Belieben wieder ausgetauscht. Wir müssen mit ihnen leben, auch wenn sich die politische Landschaft ändert. Die Oesterreichische Nationalbank ist das beste Beispiel dafür. Auch wenn das Regierungsschnuppern der Freiheitlichen womöglich nur von kurzer Dauer war, der von der FPÖ vorgeschlagene Robert Holzmann wird die kommenden sechs Jahre als OeNB-Gouverneur die Geschicke der Notenbank leiten.

Und wie schnell sich Notenbanker von ihren politischen Ziehvätern emanzipieren können, hat Jerome Powell gezeigt. Da konnte Donald Trump noch so „enttäuscht“ sein, Powell zog sein Ding durch. Bisher zumindest.

„In God we trust“ steht auf jedem Dollarschein. Das Vertrauen in unser Geld ist nicht gottgegeben. Von ihm hängen Wohlstand und Sicherheit ab. Sollten wir einmal genauso viel Vertrauen in den Euro oder Dollar wie in die Politik haben, dann gute Nacht.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2019)

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