Scheitert Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin?

Ursula von der Leyen
Ursula von der LeyenAPA/dpa/Fabian Sommer
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Deutsche Sozialdemokraten machen in EU-Parlament mobil gegen die CDU-Verteidigungsministerin. Auch Grüne haben sich gegen die Christdemokratin festgelegt.

Für Ursula von der Leyen könnte es knapp werden. Die deutschen Sozialdemokraten wollen die CDU-Verteidigungsmnisterin undebingt als EU-Kommissionspräsidentin verhindern. Bei der Abstimmung im EU-Parlement braucht sie jedoch die Stimmen der europäischen Sozialdemokraten. Mit den Stimmen der EVP und der Liberalen allein kann von der Leyen nicht die nötige Mehrheit erzielen.

Nach einem Anhörungsmarathon im Europaparlament am Mittwoch gaben die Grünen bereits bekannt, gegen die von den Mitgliedstaaten als künftige EU-Kommissionspräsidentin nominierte Deutsche stimmen zu wollen.

Ungeeignete Kandidatin

Der Leiter der SPD-Delegation im EU-Parlament, Jens Geier, soll vor einem Treffen von der Leyens mit der Fraktion der Europäischen Sozialdemokraten am Mittwoch ein Papier verteilt haben, in dem zahlreiche aktuelle und frühere Anschuldigungen gegen die derzeitige deutsche Verteidigungsministerin aufgelistet sind. Es ist überschrieben mit den Worten: "Warum Ursula von der Leyen eine unzulängliche und ungeeignete Kandidatin ist".

Genannt werden in dem zweiseitigen, in englischer Sprache verfassten Text unter anderem die Berater-Affäre um den Einsatz externer Fachleute bei der Modernisierung der Bundeswehr und die "Kostenexplosion" bei der Sanierung des Marineschulschiffes "Gorch Fock". Zudem thematisieren die Autoren noch einmal den nach einer langen Prüfung ausgeräumten Vorwurf, wonach von der Leyen wegen Plagiaten in ihrer Dissertation zu Unrecht einen Doktortitel führt.

Bundeswehr in armseligem Zustand

Zu von der Leyens derzeitigem Job als Verteidigungsministerin heißt es, die 60-Jährige habe es nicht geschafft, die Ausrüstung der Bundeswehr signifikant zu verbessern. Diese befinde sich in einem armseligen Zustand, und öffentlich angekündigte Trendwenden seien nur Marketing-Aktionen geblieben. Zudem werden zuletzt schwache Wahl- und Umfrageergebnisse als Beleg dafür angeführt, wie sehr der Stern der Politikerin zuletzt verblasst sei.

Am Ende des Textes wird von der Leyen als Kandidatin des umstrittenen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban bezeichnet - obwohl in der vergangenen Woche mit Ausnahme von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) alle europäischen Staats- und Regierungschefs für ihre Nominierung gestimmt hatten. Merkel enthielt sich bei der Entscheidung, weil die SPD als Koalitionspartner nicht zustimmen wollte.

Relevant ist der Text des SPD-Europaabgeordneten Geier, weil sich von der Leyen nach der Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs noch einer für den kommenden Dienstag geplanten Abstimmung im Europaparlament stellen muss. Dort ist sie aller Voraussicht nach zumindest auf einen Teil der Stimmen der europäischen Sozialdemokraten angewiesen.

„Ohne Ambition bei Klimaschutz"

Die Grünen werden sie nach Angaben vom Mittwochabend definitiv nicht unterstützen. "Entscheidung der Grünen Fraktion! Wir werden gegen von der Leyen stimmen", teilte der deutsche Europaabgeordnete Sven Giegold mit. Beim Thema Klimaschutz sei von der Leyen "ohne Ambition" und bei der Rechtsstaatlichkeit in Polen, Ungarn, Malta "unklar" gewesen. "Vage Antworten statt europäischer Handlungswillen. Europa braucht eine stärkere, klarere Kommissionspräsidentin", hieß es in dem Text weiter.

Die Antworten von der Leyens auf Fragen bei einer Anhörung in ihrer Fraktion seien "enttäuschend" gewesen, erklärte auch die Ko-Fraktionsvorsitzende Ska Keller. "Wir haben keinerlei konkreten Vorschlag gehört - sei es zur Rechtsstaatlichkeit oder zum Klima", hieß es weiter.

Die deutschen SPD-Abgeordneten wollen von der Leyen ebenfalls verhindern, obwohl mit ihr zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wieder jemand aus Deutschland an die Spitze der EU-Kommission kommen würde. Sie hatten gehofft, dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans zum Zuge kommen könnte.

Für Spitzenkandidaten-Prinzip

Die SPD argumentiert vor allem, dass die Staats- und Regierungschefs mit der Nominierung von der Leyens die Vorgabe einer Mehrheit im EU-Parlament übergingen, nur einen der Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu wählen. Nach diesem Prinzip hätten eigentlich der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber oder Timmermans Kommissionschef werden müssen. Gegen Weber stellte sich im Rat der Staats- und Regierungschefs allerdings unter anderem der französische Präsident Emmanuel Macron, Timmermans fehlte die Rückendeckung vor allem von Ländern wie Ungarn und Polen, aber auch einiger christdemokratischer Regierungen.

"Es ist doch niemandem vermittelbar, dass erst Spitzenkandidaten zur Wahl aufgestellt werden und dann nach der Wahl nicht ein einziger von ihnen überhaupt einmal dem Europäischen Parlament vorgeschlagen wird", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Donnerstag). "Das Europäische Parlament sollte nächste Woche den Vorschlag der Regierungschefs ablehnen."

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte von der Leyen dagegen. Diese sei "eine Macherin", sagte Spahn dem "Handelsblatt" vom Donnerstag. "Ich würde mich freuen, mit ihr zusammen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr den europäischen Binnenmarkt für digitale Gesundheit voranzutreiben."

(APA/dpa)

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