Nach drei Zitteranfällen in drei Wochen saß die deutsche Kanzlerin diesmal, als sie beim Empfang für die dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen die Nationalhymne anhörte. Diesmal schlotterte sie nicht.
Berlin. Das deutsche Protokoll läuft ab wie ein Uhrwerk. Immer gleich. Wenn ein hochrangiger Gast aus dem Ausland zu Besuch ins Bundeskanzleramt kommt, ist jeder Schritt bis ins letzte Detail geplant: Begrüßung, Abschreiten der militärischen Ehrengarde, Nationalhymnen. Diesmal jedoch lief eine Szene anders ab, als es bisher im Drehbuch vorgesehen war.
Drei Mal hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in den vergangen drei Wochen vor laufenden Kameras gezittert, und zwar immer, wenn sie neben einem Staats- oder Regierungschef strammstehen musste. Deshalb überlistete sich Merkel am Donnerstag selbst mit einem psychologischen Trick. Sie ließ am Rande des roten Teppichs Sessel auf einem Podest aufstellen und hörte sich die Nationalhymne im Beisein der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen diesmal im Sitzen an. Die kleine Protokolländerung hatte die gewünschte Wirkung. Diesmal zeigte die deutsche Kanzlerin keine Regung.
„Verantwortung des Amts“
Fragen nach ihrem Gesundheitszustand blieben ihr bei der Pressekonferenz mit der dänischen Sozialdemokratin trotzdem nicht erspart. „Sie dürfen davon ausgehen, dass ich um die Verantwortung meines Amts weiß, deshalb auch dementsprechend handle, was meine Gesundheit anbelangt“, erklärte die deutsche Kanzlerin. Und: „Ich habe auch als Mensch ein persönliches Interesse daran, dass ich gesund bleibe.“ Kurz vor ihrem 65. Geburtstag (am 17. Juli) bemerke aber auch sie, dass sie älter werde, scherzte Merkel.
Zum ersten Mal hatte Merkel Mitte Juni heftig geschlottert, als sie den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi in Berlin willkommen hieß. Die Erklärung damals: heißes Wetter und Wassermangel. Neun Tage später zitterte sie bei der Ernennung der neuen Justizministerin Christine Lambrecht neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Und am Mittwoch zuckten ihre Muskeln unkontrolliert, als sie neben dem finnischen Premier Antti Rinne stehend der Nationalhymne lauschte. Regierungsvertreter erläuterten, die Kanzlerin befinde sich in einem „psychologisch-verarbeitenden Prozess“. Es handle sich um ein Kopfproblem. Merkel habe ein neuerliches Zittern so sehr vermeiden wollen, dass es erst recht eingetreten sei. Deutsche Medien fordern die Kanzlerin indes immer lauter auf, ein ärztliches Bulletin vorzulegen. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2019)