Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat nach intensiven Gesprächen mit den Parteien Johannes Hahn für eine dritte Amtszeit als EU-Kommissar vorgeschlagen.
Wien. In einer wichtigen Personalfrage fanden die ehemaligen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ erstmals wieder zusammen: Nach intensiven Verhandlungen konnten sie Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein einen Kompromisskandidaten für das Amt des künftigen Kommissars präsentieren, der im Hauptausschuss des Nationalrats die notwendige Mehrheit finden wird: Johannes Hahn. Er wird jedenfalls mit den Stimmen von Türkis-Blau, eventuell auch durch SPÖ und die Liste Jetzt bestätigt werden. Andere Optionen fanden in den Vorgesprächen keine Mehrheit. Am Donnerstag erklärte Bierlein: „Im Lichte der bisherigen Gespräche mit den im Nationalrat vertretenen Parteien beabsichtige ich, der Bundesregierung vorzuschlagen, vorbehaltlich des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrats, Hahn zu nominieren.“
Johannes Hahn, der damit in seine dritte Amtszeit startet, ist zwar ein schwarzes Urgestein, er hat sich aber in den vergangenen Jahren stets um Überparteilichkeit bemüht. Insbesondere mit der FPÖ hat er eine gute Gesprächsbasis. Im Gegensatz zu Vorgängern, wie etwa Franz Fischler (ÖVP), hielt er sich mit Kritik an blauen Eskapaden – seien es Kontakte zu Rechtsradikalen oder das Ibiza-Video – zurück.
Hahn selbst hat erfreut auf den Vorschlag der Bundesregierung reagiert, ihn für eine weitere Amtszeit in Brüssel zu nominieren. Hahn bedankte sich am Donnerstag in einer kurzen Stellungnahme für das Vertrauen, das in ihn gesetzt werde.
"Ich habe mein Amt als EU-Kommissar immer als Herausforderung und Verantwortung, für gemeinsame, zukunftsweisende Lösungen zu arbeiten gesehen und mehrfach betont, dass ich für eine Fortsetzung dieser Aufgabe zur Verfügung stehe. Nun ist der Nationalrat am Zug, dessen Entscheidung ich respektvoll entgegensehe", sagte Hahn.
Obwohl in der SPÖ zuletzt Kritik an einer möglichen Nominierung Hahns laut geworden war, signalisierte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Donnerstag eine mögliche Zustimmung. Sie wolle ihm keinen Stein in den Weg legen. Allerdings müsse er zusichern, dass er eine gesamte Periode im Amt bleibe. Zuletzt waren nämlich Gerüchte laut geworden, Hahn wolle bereits nach zwei Jahren abtreten und einem möglichen anderen ÖVP-Kandidaten Platz machen.
Eigentlich hatte die ÖVP-Führung entweder die frühere Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, oder den Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Othmar Karas, für das Amt vorgesehen. Doch das war vor dem Bruch der Koalition. Ausschlaggebend war laut Parteikreisen letztlich ein Gespräch zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Vorsitzenden Norbert Hofer, in dem Hahn als ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss vereinbart wurde. Ob die FPÖ im Gegenzug ein Entgegenkommen der ÖVP bei anderen Themen gefordert oder sogar zugestanden bekommen hat, ist nicht bekannt.
Politischer Ziehvater von Kurz
Johannes Hahn war einer der politischen Ziehväter von Ex-Bundeskanzler Kurz. Als Wiener ÖVP-Vorsitzender förderte er den jungen Kommunalpolitiker. 2007 wechselte Hahn als Wissenschaftsminister in die Bundesregierung. In seine Amtszeit fielen heftige Studentenproteste, da er sich für neue Beschränkungen zum Hochschulzugang und Studiengebühren ausgesprochen hatte. Zudem wurden unter Hahn die Fachhochschulen gestärkt und ausgebaut.
2009 wurde Hahn erstmals als EU-Kommissar von SPÖ und ÖVP nominiert. In der Barroso-Kommission wurde ihm das Ressort Regionalpolitik zugeteilt. Er reformierte die Verteilung der EU-Fördermittel für Regionen und führte neue Zielvorgaben ein, die seitdem auf kommunaler Ebene erreicht werden müssen, um weitere Hilfe der EU zu erhalten. Im Kreis der Kommissarskollegen fand der Wiener bald Anerkennung. So stand 2014 einer neuerlichen Nominierung durch Bundeskanzler Werner Faymann nichts im Wege.
In den vergangenen fünf Jahren leitete Hahn in der Juncker-Kommission die europäische Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik. Er verhandelte unter anderem das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und wurde bei der Befriedung der Ukraine aktiv. Sein Eintreten für eine engere Anbindung der Westbalkanstaaten an die EU fand allerdings nur geteilte Zustimmung. Die Niederlande und Frankreich bremsten zu seinem Bedauern bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien, obwohl das Land den Namensstreit mit Griechenland zuvor gelöst hatte.
Zeitdruck bei Nominierung
Die Übergangsregierung geriet bei der Nominierung eines österreichischen Kommissars in Zeitnot, da bereits mehrere andere Mitgliedstaaten in den vergangenen Wochen ihre Mitglieder für die künftige Kommissionsführung genannt hatten. Ob Hahn erneut für Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik zuständig sein wird, ist fraglich. Die Entscheidung liegt bei der voraussichtlichen nächsten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Jedenfalls muss sich der 61-Jährige vor seiner Bestellung noch einem Hearing im Europaparlament stellen. Dieses wird frühestens im September stattfinden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2019/APA)