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Der Arzt als Investor: „Rückblickend sieht es geplant aus“

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Der Radiologe Gordon Euller zeigt, was man aus einem Medizinstudium alles machen kann. Und der Weg des 36-Jährigen ist noch lang nicht zu Ende.

Man ist ja einiges gewohnt. Aber dieses Office verschlägt einem doch den Atem: Ein durchgehend verglastes Eckbüro mit Blick auf die Pestsäule am Wiener Graben, edel-teuer-modern in der Ausstattung. Den Mann hinter dem Schreibtisch scheint das nicht zu beeindrucken. Das gesamte Interview über ist er nicht aus der Ruhe zu bringen.

Gleichbleibend ruhig lächelnd beantwortet er auch höchst persönliche Fragen. Er sei immer fokussiert, sagt er. Da ist was dran.

Gordon Euller ist 36 Jahre alt und hat eine wendungsreiche Karriere hinter sich. Um gleich auf das Bemerkenswerte zu kommen: Der Ausgangspunkt ist klar. Doch was er daraus machte, welche Felder er rundherum besetzte und dennoch eine stringente Vita vorlegt, das ist erzählenswert. Und seiner Provenienz blieb er immer treu.

Der Ausgangspunkt: Euller ist Mediziner, konkret Facharzt für Radiologie. „Born and raised in Vienna“, stellt er gleich zur Begrüßung fest. Spitäler sind ihm von klein auf vertraut. Die Eltern, beide Gynäkologen, nahmen ihn oft zu Nachtdiensten mit.

Schon während des Studiums verspürte er Lust zu gründen. Mit 22 Jahren, 2005, erkannte er den Engpass in der häuslichen Pflege, düste nach der Vorlesung nach Bratislava und eröffnete BestCare, eine Agentur für 24-Stunden-Kräfte. Einmal, als er gerade die Grenze erreichte, rief der erste Interessent an. Zöllner oder Interessent, wem sollte er seine Aufmerksamkeit schenken? Euller entschied sich für den Interessenten. Ein Blick von ihm und der Zöllner ließ ihn telefonierend passieren.

Die Nachfrage explodierte, er expandierte nach Ungarn und Rumänien und gründete bald erneut, diesmal eine Betriebsansiedelungsfirma für Osteuropa. Ob er so gute Kontakte hatte? „Nein“, antwortet er ruhig, „nur den Drive.“ Das Studium schloss er dennoch nach sechs Jahren ab.

Als er 25 Jahre alt war, lud ihn McKinsey zum Gespräch. Ob er für die Beratung eine Digital Health Practice aufbauen wolle? Euller machte einen Crashkurs in Wirtschaft („nur einen kleinen internen MBA“) und erlebte eine „wahnsinnig aufregende Zeit“. Heute hier und morgen da, alle drei Monate ein neuer Board Room, „da geht etwas weiter“, sagt er.

Gründen oder lernen?

Kurzer Zwischenstopp. Früher ging man erst in eine Beratung lernen, dann gründete man. Heute verzichten Start-ups auf diese Lernjahre und gründen gleich. Was hält Euller für besser? „Erst lernen, dann gründen hätte mir geholfen“, sagt er nach kurzem Nachdenken. Wiewohl als Radiologe zu arbeiten die kurzfristig profitabelste Variante gewesen wäre. So viele Optionen.

Nach zwei Jahren Beratung zog es ihn zurück in die Medizin. An der AKH-Universitätsklinik machte er seinen Facharzt, unterbrach aber zweimal, weil ihn McKinsey London für zwei Projekte anforderte. Und dann gab es noch dieses Spitalsprojekt in Abu Dhabi, zu dem ihn die MedUni Wien schickte. Ein Jahr Abu Dhabi, dann wieder London. Ob er irgendwo auf diesem Zickzack-Kurs auch mal Fehler machte? Kurzes Nachdenken, dann: In London hätte er sich weniger hellhörige Wohnungen mieten sollen. Die Nachbarn waren so laut. „Ich musste oft umziehen.“ Die besten Erinnerungen? „Am Freitag im Café im Office zu sitzen und die unzähligen internationalen Geschichten hören.“ Und die Erkenntnis, dass sehr divers zusammengesetzte Teams die erfolgreichsten sind.

Und jetzt Investor

2016 kam er zurück, war ein Jahr Oberarzt am AKH („deswegen weiß ich, wenn Start-ups Lösungen vorschlagen, ob die den Ärzten helfen oder nicht“) und rutschte in die Gründerszene. Dann schlug ihm die Venture-Capital-Gesellschaft Apex eine Zusammenarbeit vor. Für sie legt er jetzt in seinem verglasten Eckbüro mit Blick auf die Pestsäule einen Fonds für Start-ups aus dem Gesundheitsbereich auf. Jetzt ist er Investor.

Ein Zickzack-Leben also oder stringent? „Rückblickend sieht es geplant aus“, sagt Euller, bedächtig, freundlich und ruhig. Aber vorwärts, da gab es viele Kreuzungen und schlaflose Nächte.

Und einen Preis hatte dieses Leben doch: Für eine Familie war nie Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2019)

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