Polizei verliert Gerichtsmatch gegen Rapid-Fans

 Die Anhaltungen, die besonders lang dauerten, seien rechtswidrig gewesen. (Symbolbild)
Die Anhaltungen, die besonders lang dauerten, seien rechtswidrig gewesen. (Symbolbild)APA/GERT EGGENBERGER
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Der sogenannte Rapid-Kessel, also das polizeiliche Einkesseln von mehr als 1300 Teilnehmern eines Fanmarsches, sei zum Teil rechtswidrig gewesen. So urteilte am Freitag das Wiener Verwaltungsgericht.

Am 16. Dezember 2018 zog ein grün-weißer Fanmarsch (Corteo) zum Stadion des Erzrivalen FK Austria Wien. Ebendort wurden sämtliche Teilnehmer des Zugs, mehr als 1300 großteils lautstarke Rapid-Fans, von der Polizei auf einer schmalen Straße eingekesselt. Zum Teil bis zu sieben Stunden lang. Am Freitag urteilte der Wiener Verwaltungsrichter Wolfgang Helm: Die Anhaltungen, die besonders lang dauerten, seien rechtswidrig gewesen.

Und: Auch die von der Polizei ergriffene Maßnahme der Wegweisung des Großteils der angehaltenen Rapid-Fans sei rechtswidrig gewesen. Denn: Die Polizei hätte de lege für jede einzelne weggewiesene Person „bestimmte Tatsachen“ heranziehen müssen, auf die sich die Prognose eines gefährlichen Angriffs hätte stützen können. Anders gesagt: Die pauschale Annahme, jeder Teilnehmer des Corteo (darunter waren auch Mütter mit ihren Kindern) sei schon deshalb gefährlich, weil er mitmarschiere, kann nicht als Grundlage für Wegweisungen dienen.

Zum Rapid-Kessel war es gekommen, weil einzelne Personen des Fanzugs Schneebälle von einer Brücke nahe dem Austria-Stadion auf die Südosttangente geworfen hatten. Dies zeigt auch ein Polizeivideo. Auch von Getränkedosen und einer bengalischen Fackel war aufgrund von Polizeiaussagen die Rede. Die A23 wurden daraufhin sogar für einige Minuten gesperrt.

Um die Täter ausforschen bzw. um Zeugen für die Würfe ausfindig machen zu können, kam es dann zur Anhaltung des Marsches, um ca. 15 Uhr. Und eben zu Feststellungen der Identitäten – Letzteres dauerte bis 22 Uhr. Jene Anhaltungen (inklusive Identitätsfeststellungen), die länger als bis 20.30 Uhr dauerten, seien unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen. Sagt nun Richter Helm. Die Maßnahme an sich sei aber angebracht und vertretbar gewesen.

Als Beschwerdeführer sind nun 28 Personen aufgetreten. 24 davon wurden von dem Wiener Anwalt Christian Podoschek vertreten. Dieser darf nun mit dem Resultat der Verhandlung zufrieden sein. 14 von seinen 24 Klienten mussten länger als bis 20.30 Uhr ausharren. Bei diesen wurde somit die Anhaltung als rechtswidrig festgestellt. Und 21 seiner Mandanten wurden weggewiesen. In allen 21 Fällen zu Unrecht, so das Erkenntnis.

Ausgestattet mit ebendiesem könnten die Beschwerdeführer nun Schadenersatzklagen gegen die Polizei einbringen. Aber: Noch ist offen, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird. Sowohl die Landespolizeidirektion Wien als auch die Beschwerdeführer könnten Rechtsmittel einbringen.

Blickt man auf den Erfolg, den ein Rapid-Fan erst vor ein paar Tagen erzielt hatte – der Verfassungsgerichtshof sah das Stadion-Transparent ACAB (All Cops Are Bastards) als erlaubte Meinungsäußerung –, so hat das Gerichtsmatch Rapid vs. Polizei mittlerweile einen neuen Zwischenstand – 2:0 für Grün-Weiß.

IM WORTLAUT

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien enthält unter anderem diese Passagen: „Es wurde daher im Ergebnis ein Zeitraum bis etwa 20.30 Uhr als noch verhältnismäßige Anhaltedauer angesehen und erst die darüber hinausgehende Dauer als außer Verhältnis stehend.“ Oder: „Nach dem Abmarsch vom Reumannplatz wurden nicht nur Polizeibeamte mit Schneebällen beworfen, sondern Anrainer, die (. . .) fotografieren wollten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2019)

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